Article
Kinderreha-Versorgungsstudie: Versorgungsqualität in der Hilfsmittelversorgung von Kindern und Jugendlichen
Search Medline for
Authors
Published: | September 22, 2015 |
---|
Outline
Text
Hintergrund: Die Hilfsmittelversorgung von Kindern und Jugendlichen ist ein ebenso komplexer wie auch heterogener Prozess an dem viele Akteure beteiligt sind. Es werden vielfältige Versorgungsprobleme und -brüche beschrieben; jedoch liegen für Deutschland kaum wissenschaftliche Ergebnisse zur Qualität der Hilfsmittelversorgung von Kindern und Jugendlichen vor. Die Kinderreha-Versorgungsstudie leistet hierzu einen wichtigen Beitrag, in dem sie eine aktuelle Bestandsaufnahme zur Hilfsmittelversorgung erstellt.
Fragestellung: Wie gut ist die Qualität der Hilfsmittelversorgung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland?
Methode: Die Kinderreha-Versorgungsstudie nutzt einen Multi-Methoden-Ansatz, bei dem neben Routinedaten der Techniker Krankenkasse (TK), Daten aus einer qualitativen Befragung von Experten und Expertinnen (N=65) und einer quantitativen Befragung der TK-Versicherten eingehen (N=784). Die leitfadengestützten Interviews wurden zwischen Juni 2013 und März 2014 mit Experten/-innen aus den Bereichen medizinische Versorgung (Ärzte/-innen, Physio-, Ergotherapie, Pflege), Kostenträger (privat, gesetzl.), Leistungserbringer (Hersteller, Händler) Schulen und Kindergärten, Eltern sowie Akteure aus weiteren Bereichen durchgeführt. Die quantitative Erhebung erfolgte zwischen Mai und November 2014.
Ergebnisse: Die Qualität der in der Versorgung eingesetzten Hilfsmittel wird in Deutschland insbesondere im Vergleich zum europäischen Ausland von den Experten/-innen auf einem hohen Niveau beurteilt (technische Ausstattung, Anpassungsmöglichkeiten, etc.). Auch bei den Eltern der TK-versicherten Kindern und Jugendlichen war der Großteil mit der letzten Hilfsmittelversorgung zufrieden. Als die wichtigsten persönlichen Ziele bei der Hilfsmittelversorgung des Kindes gaben die Eltern das Ermöglichen von Teilhabe und die Erleichterung des Alltags an. Dieser Aspekt wird von den Experten/-innen unterstützt und erweitert um die Notwendigkeit einer Anpassung an zukünftige Veränderungen, wie das Wachstum des Kindes, der voraussichtliche Krankheitsverlauf, potenzielle Lebensveränderungen und die Handhabbarkeit des Hilfsmittels vor Ort. Eine wichtige Rolle spielt für eine gute Hilfsmittelversorgung die Auswahl und Qualifikation der beteiligten Berufsgruppen. Sie ist entscheidend für die Prozess- und Ergebnisqualität. So beschreiben die Experten/-innen, dass eine Spezialisierung der Akteure auf den Bereich Kinder und Jugendliche erforderlich ist, um hochwertig zu arbeiten und die Besonderheiten der Zielgruppe zu berücksichtigen.
Diskussion: Auf Basis der qualitativen und quantitativen Daten konnte eine umfassende Sicht auf die Hilfsmittelversorgung von Kindern/Jugendlichen gewonnen werden. Die Aussagen der Experten/-innen machen deutlich, wie komplex die Hilfsmittelversorgung in Deutschland ist und wie viele Akteure an der Hilfsmittelversorgung beteiligt sind bzw. sein sollten. Zugleich wird erkennbar, wie wichtig eine gute Passung des Hilfsmittels an den Alltag des Kindes, der Eltern und weiterer Akteure der Lebenswelt (z. B. KiTa, Schule) sowie die Entwicklung eines Gesamtkonzeptes, welches kontinuierlich auch Veränderungen bei den Bedarfen berücksichtigt, ist. Obgleich das Niveau der in Deutschland eingesetzten Hilfsmittel als hoch bzw. sehr hoch eingeschätzt wird, reichen die Schulnoten zur Qualität der Versorgung von einer guten Zwei bis hin zu mangelhaft. Diese Einschätzung wird wesentlich durch die bei den Experten/-innen sehr unterschiedliche Wahrnehmung des Hilfsmittelversorgungsprozesses bedingt.
Praktische Implikationen: Mit der Kinderreha-Versorgungsstudie liegen umfassende Erkenntnisse zur Hilfsmittelversorgung von Kindern und Jugendlichen vor, die auch konkrete Hinweise auf Versorgungslücken und -defizite geben. Darüber hinaus konnten zentrale Kriterien, mit denen sich die Qualität der Hilfsmittelversorgung bewerten und messen lässt, ermittelt werden, wie z. B. Erreichung der therapeutischen Ziele, der Zuwachs an Lebensqualität und Autonomie, die Qualität des Hilfsmittels und dessen individuelle Anpassung an die Bedürfnisse des Kindes sowie die Beherrschbarkeit beziehungsweise Handhabbarkeit des Hilfsmittels durch die späteren Anwender, insbesondere der Eltern und Pädagogen/-innen. Diese können zukünftig auch für die Gestaltung einer patientenzentrierten Hilfsmittelversorgung und die Evaluierung genutzt werden.