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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Haben wir immer mehr Frühgeborene?

Meeting Abstract

  • Günther Heller - AQUA - Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Göttingen, Deutschland
  • Stefanie Konheiser - AQUA - Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Göttingen, Deutschland
  • Teresa Thomas - AQUA - Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Göttingen, Deutschland
  • Erik Bauer - AQUA - Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Göttingen, Deutschland
  • Björn Broge - AQUA - Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Göttingen, Deutschland
  • Joachim Szecsenyi - AQUA - Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Göttingen, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocP076

doi: 10.3205/15dkvf173, urn:nbn:de:0183-15dkvf1731

Published: September 22, 2015

© 2015 Heller et al.
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Text

Hintergrund: Seit Jahrzehnten wird eine Zunahme von Frühgeborenen(raten) in Deutschland thematisiert und als Ursachen die Zunahme von Risikoschwangerschaften, z. B. Gestationsdiabetes oder Spätgebärende, im Sinne einer zunehmenden Schwangerschaftsmorbidit diskutiert.

Fragestellung: In der vorliegenden Arbeit wurde untersucht, inwieweit sich dies aktuell, auch für die vergangenen 10 Jahre, nachvollziehen lässt und welche Determinanten für eine solche Entwicklung identifiziert werden können.

Methode: Dazu wurden die Daten aus der Bevölkerungsfortschreibung der statistischen Ämter (DST), aber auch die Daten der verpflichtenden stationären Qualitätssicherung (DQS) genutzt. Grundgesamtheit im ersten Datensatz stellen alle Lebendgeborenen von Müttern mit einem Hauptwohnsitz in Deutschland dar, während im zweiten Datensatz alle in deutschen Krankenhäusern lebend geborenen Kinder (ca. 98% aller Lebendgeborenen in Deutschland) betrachtet werden. Auf Basis dieser Daten wurden über das Beobachtungsintervall hinweg Anzahlen bzw. Anteile von Geburten in definierten Geburtsgewichts- bzw. Gestationsalterkategorien analysiert.

Ergebnisse: In den DQS zeigte sich zwischen 2005 und 2014 eine Zunahme um mehr als 1.000 Kinder < 1.500g (VLBW) von 8.923 auf 10.221 mit einem pointierten Anstieg um ca. 11% ab 2011. In den DST konnte für 2013/14 „aus verfahrenstechnischen Gründen“ keine Auswertung mehr erfolgen. Für das Zeitintervall von 2003–2012 ergab sich aber nur eine Zunahme von etwa 500 VLBW, bei einem deutlich niedrigeren Ausgangsniveau im Vergleich zu den DQS (Im Durchschnitt 8260 VLBW/Jahr in den DST). Gleichzeitig fand sich ein merklicher Anstieg aller Lebendgeborenen nach 2011 in der ESQS (ca. 8% von 650.597 in 2011 auf 704.152 in 2014). Werden die Anteile Geburtsgewichts- bzw. Gestationsalterkategorien analysiert, findet sich die stärkste Zunahme im Bereich der Normalgewichtigen bzw. Reifgeborenen im analysierten Zeitintervall, während zeitgleich die Anteile der Frühgeborenen mit 32-36 Schwangerschaftswochen und vor allem von Kindern > 4.000g Geburtsgewicht bzw. mit einem Gestationsalter über 41 SSW Schwangerschaftswochen zurück gehen.

Diskussionen: Die deutliche Diskrepanz der VLBW zwischen DST und DQS weist zunächst auf einen relevanten Export von Gesundheitsleistungen in diesem Segment hin. Zusätzlich scheint die Zunahme der VLBW in den Daten des ESQS ab 2011 um ca. 11% zum größten Teil bereits durch eine Zunahme aller Geburten um knapp 8% im gleichen Zeitraum erklärbar. Werden allerdings die Anteile der Geburtsgewichts- bzw. Gestationsalterkategorien an allen Geburten über die Jahre verglichen, zeigen sich die größten Bewegungen im Sinne einer Zunahme von Normalgewichtigen bzw. reifegeborenen Kindern und (konsekutiv) eine Abnahme von übergewichtigen bzw. übertragenen Lebendgeborenen. Insgesamt kann demnach konstatiert werden, dass ein morbiditätsbedingter Anstieg von Frühgeborenen(-raten) nur bedingt nachvollzogen werden kann. Vielmehr zeigt sich im Wesentlichen ein deutlicherer Anstieg des Anteils an Normalgewichtigen bzw. Reifgeborenen in den vergangenen 10 Jahren, was für eine Abnahme der Schwangerschaftsmorbidität bzw. eine bessere Schwangerschaftsvorsorge spricht.

Praktische Implikationen: Die vorgestellten Ergebnisse zeigen überraschende Ergebnisse mit Blick auf die Entwicklung von Geburtenzahlen wie auch deren Risikostruktur und sind von erheblicher Relevanz für die Planung der medizinischen perinatologischen Versorgung. Dabei sollten, aufbauend auf den vorgestellten Analysen, in künftigen detaillieren Arbeiten, realitätsnahe Prognosemodelle entwickelt werden, um eine solide wissenschaftliche Basis für Politikberatung und Versorgungsplanung bereitstellen zu können.