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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Evaluation der Überlebenswahrscheinlichkeit und der Gesundheitskosten einer telemedizinischen Intervention für Herzinsuffizienzpatienten auf der Basis von Sekundärdaten

Meeting Abstract

  • Wolfgang Hoffmann - Institut für Community Medicine, Universität Greifswald, Abt. Versorgungsepidemiologie und Community Health, Greifswald, Deutschland
  • Robert Herold - Institut für Community Medicine, Universität Greifswald, Abt. Versorgungsepidemiologie und Community Health, Greifswald, Deutschland
  • Neeltje van den Berg - Institut für Community Medicine, Universität Greifswald, Abt. Versorgungsepidemiologie und Community Health, Greifswald, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocFV55

doi: 10.3205/15dkvf143, urn:nbn:de:0183-15dkvf1431

Published: September 22, 2015

© 2015 Hoffmann et al.
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Text

Hintergrund: Das telemedizinische Monitoringprogramm „Curaplan Herz Plus“ der AOK Nordost richtet sich an Patienten mit einem hohen Risiko für Herzinsuffizienz-bezogene Krankenhausaufenthalte. Die Intervention bestand aus regelmäßigen telefonischen Kontakten mit Mitarbeitern eines Telemedizinzentrums, schriftlichem Beratungsmaterial und/oder einem telemedizinischen Monitoring mit einer digitalen Waage. Inhalte der Telefongespräche waren Beratung z.B. zur Gewichtskontrolle, Adhärenz zur Medikation, Ernährung und Bewegung. Dazu wurden bei Warnhinweisen aufgrund der telemedizinischen Daten Interventionsvorschläge gemacht.

Fragestellung: 1) Hat das Programm „Curaplan Herz Plus“ positive Effekte auf die Überlebenswahrscheinlichkeit nach einem Jahr und 2) was sind die Effekte auf die Gesamtkosten im Vergleich zu einer geeigneten Kontrollgruppe?

Methoden: Das Programm „Curaplan Herz Plus“ wurde auf der Basis von Sekundärdaten evaluiert. Für die Analyse standen keine Primärdaten sondern nur Abrechnungsdaten der AOK Nordost sowie das Einschreibe- und das Anfangsdatum der Intervention zur Verfügung. Für die Evaluation wurden den am Programm teilnehmenden AOK Nordost-Versicherten in einem kombinierten exakten (z.B. 5-Jahres Altersgruppe, Geschlecht, NYHA-Stadium) und Propensity-Score (z.B. Medikation, psychiatrische Komorbidität) Matchingverfahren geeignete Kontrollpatienten aus der Grundgesamtheit der nicht-teilnehmenden AOK-Patienten zugeordnet. Angestrebt wurde ein Matching-Verhältnis von 1:2. Mit multivariaten Regressionsanalysen wurden die Überlebenswahrscheinlichkeit sowie die Gesamtkosten nach einem Jahr analysiert.

Ergebnisse: 2.622 Teilnehmer nahmen am Programm „Curaplan Herz Plus“ teil, davon 54,7% Männer. Das Durchschnittsalter betrug 73,7 Jahre (SD 9,6 Jahre). 25,9% der Patienten hatten Herzinsuffizienz im NYHA-Stadium 2, 33,7% im NYHA-Stadium 3, 23,9% im NYHA-Stadium 4. 1.943 Teilnehmer (74,1%) konnten mit geeigneten Kontrollpatienten gematcht werden. In der Hauptanalyse (Intention-to-Treat Analyse) betrug der Anteil der Patienten, der ein Jahr nach Interventionsanfang noch am Leben war, in der Interventionsgruppe 89,0%, in der Kontrollgruppe 86,4% (Odds Ratio 1,45, p=0,0003).

In der Subgruppe der Patienten mit einem dokumentierten Interventionsbeginn (Treated Analyse, N=1.381 gematchte Teilnehmer), war der Effekt noch größer: 92,2% der Patienten der Interventionsgruppe war ein Jahr nach Interventionsbeginn noch am Leben, während dieser Anteil in der Kontrollgruppe 87,2% betrug (OR 1,69; p<0,0001).

Die Effekte der Intervention auf die Gesamtkosten waren abhängig vom Wohnort der Teilnehmer, deshalb wurde in die Modellen eine Interaktionsvariable „Intervention x Wohnort“ eingefügt. Bei den Teilnehmern mit Wohnsitz in Berlin betrugen die Gesamtkosten in den vier Quartalen nach Interventionsbeginn pro Quartal durchschnittlich €18,27 weniger als bei den Vergleichspatienten mit Wohnsitz in Berlin. Bei den Teilnehmern im ländlichen Bereich (Brandenburg) betrug die Einsparung im Vergleich mit der Vergleichsgruppe €276,04. In der Treated Analyse betrugen die Einsparungen pro Quartal im Jahr nach Interventionsbeginn 267,31€ (Berlin) und 551,13€ (Brandenburg).

Diskussion: Die Intervention wurde in der realen Versorgung durchgeführt, mit Patienten in allen Altersgruppen, mit unterschiedlichen NYHA-Stadien und mit verschiedenen Komorbiditäten. Es konnte auf der Basis von Routinedaten gezeigt werden, dass die telemedizinische Intervention positive Effekte auf die Überlebenswahrscheinlichkeit der Teilnehmer im ersten Jahr nach Beginn der Intervention hat. Bei den Gesamtkosten zeigen sich in Brandenburg deutliche Einsparungen, in Berlin sind die Einsparungen insbesondere in der Intention-to-Treat Analyse eher gering. Die Unterschiede hängen möglicherweise mit den unterschiedlichen Strukturen und Verfügbarkeiten medizinischer Leistungserbringer zusammen. Daten zur konkreten Umsetzung des Programms (z.B. Frequenz der Beratungsgespräche, Anzahl der Patienten mit Waage) standen nicht zur Verfügung. Genauere Analysen in Bezug auf Dosis-Wirkung konnten deswegen nicht durchgeführt werden.

Praktische Implikationen: Das Telemonitoring-Programm „Curaplan Herz Plus“ zeigt gute Ergebnisse sowohl bei der Überlebenswahrscheinlichkeit als auch bei der Kostenentwicklung. Da die Ergebnisse in der Treated-Analyse deutlich besser sind als in der Intention-to-Treat Analyse, sollte die Adhärenz der Teilnehmer an das Programm aktiv verfolgt und gefördert werden.