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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Telematik in der Intensivmedizin (TIM)

Meeting Abstract

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  • G. Marx - Aachen, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocV99

doi: 10.3205/15dkvf124, urn:nbn:de:0183-15dkvf1245

Published: September 22, 2015

© 2015 Marx.
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Hintergrund: Die Lebenserwartung der deutschen Bevölkerung steigt kontinuierlich, während die Ressourcen, speziell das intensivmedizinische Personal, stetig geringer werden. Die Alterung der Bevölkerung stellt das Gesundheitswesen somit vor große Herausforderungen. Aktuell erkranken in Deutschland jährlich über 175.000 Patientinnen und Patienten an einer Sepsis. Eine Erkrankung, die eine hohe intensivmedizinische Versorgung erfordert. Das Ziel der Intensivmedizin ist es eine qualitativ hochwertige und effiziente Versorgung für diese Patientengruppe sowie für Patientinnen und Patienten, die einer besonderen Überwachung, Pflege oder Behandlung bedürfen, zu gewährleisten. Nur eine sehr geringe Anzahl dieser Versorgungsaufgaben wird von den hoch-spezialisierten Universitätskliniken abgedeckt.

Die demographische Entwicklung in Deutschland und der in Zukunft voraussichtlich nicht zu deckende Bedarf an intensivmedizinisch qualifizierten Ärztinnen und Ärzten macht die Etablierung innovativer Versorgungskonzepte im Bereich der Intensivmedizin erforderlich, um eine flächendeckende und geschlechtergerechte intensivmedizinische Versorgung auch im ländlichen Raum weiterhin zu gewährleisten.

Fragestellung: Die zentrale Fragestellung des Projektes TIM ist, ob durch regelmäßige teleintensivmedizinische Visiten die Diagnostik und Therapie der Sepsis durch eine Steigerung der Leitlinienadhärenz verbessert werden kann. Des Weiteren stellt sich die Frage, ob das Projekt die hochspezialisierte, universitäre Expertise in die Fläche bringen kann, um sich gegenseitig zu unterstützen und gemeinsam die Behandlungsergebnisse in der Breite zu verbessern.

Methode: Zur Beantwortung der Fragestellung wurde täglich eine strukturierte Erfassung und Einschätzung des Infektionszustandes, anhand von einer telemedizinisch anwendbaren Checkliste, durchgeführt. Diese Checkliste wurde gemäß der Vorgaben der „Surviving Sepsis Campaign“ (SSC) entwickelt und anhand mehrerer Dokumente angewandt. Im gemeinsamen Dialog wurden therapeutische und diagnostische Maßnahmen besprochen und dokumentiert.

Des Weiteren wurden in einer Längsschnittuntersuchung zur Compliance mit dem Maßnahmenbündel der SSC die ausgefüllten Fallaktendokumente, die Quelldokumentation sowie ein separater Auswertungsbogen zur Compliance ausgewertet. Dadurch konnte sowohl eine wirksame Intervention im Hinblick auf die Compliance-Steigerung als auch eine hohe Datenqualität sichergestellt werden.

Ergebnisse: TIM hat als erstes geschlechtergerechtes Tele-Intensivmedizin Projekt Deutschlands gezeigt, dass Tele-Intensivmedizin erfolgreich umgesetzt werden kann. Während des Produktivbetriebs wurden 1168 Patientinnen und Patienten telemedizinisch mitbetreut. Dabei wurden 4.373 Infektions- und Sepsis-Screenings sowie 4.569 Simplified Acute Physiology Scores (SAPS II) und Sequential Organ Failure Assessment Scores (SOFA) durchgeführt. Der gewissenhafte Gebrauch dieser Screening- und Scoringdokumente und die Adhärenz von 100%, ermöglichten eine frühzeitige Detektion möglicher Infektionen (182 Sepsisdetektionen). Therapie- und Diagnoseempfehlungen konnten dadurch ohne Verzögerung ausgesprochen und im Dialog mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten besprochen werden. Diese Kooperation peripherer Intensivstationen mit dem Tele-Intensivmedizin-Zentrum wurde von Nutzerinnen und Nutzern positiv bewertet.

Im Projektverlauf wurde nicht nur die Machbarkeit des Projekts demonstriert, sondern auch die Leitlinienadhärenz in der Sepsistherapie, durch tägliches Sepsis- und Infektionsscreening während der gemeinsamen Televisiten, erheblich gesteigert. Levy et al. (2014) konnten einen direkten Zusammenhang zwischen der Steigerung der Sepsis Bundle Adhärenz und der Reduktion des relativen Risikos der Sterblichkeit um 25% herstellen. Dies zeigt eindrucksvoll, dass TIM ein klinisch hoch relevantes, positives Ergebnis erzielt hat.

Diskussion: Anhand des Projektes TIM konnte eindrucksvoll veranschaulicht werden, dass eine telemedizinische Zusatzversorgung auch in Deutschland erfolgreich umgesetzt werden kann. Die Präsenz der behandelnden Ärztinnen und Ärzte in den Kliniken trägt dem Fernbehandlungsverbot Rechnung. Zudem wird auf diese Weise eine Anwendung generiert, die mit den Grundsätzen guter Telemedizin, wie zum Beispiel der Akzeptanz der beteiligten Ärztinnen und Ärzte, einhergeht.

Praktische Implikation: Zwei Grundstrukturen zeichnen die tele-intensivmedizinischen Kooperationen aus: Ein Netzwerk ohne präferierte Kommunikationsrichtung und -partner und eine sogenannte „hub and spoke“ Struktur mit Kommunikationsschwerpunkt zwischen lokaler Intensivstation und Tele-ICU-Zentrale. Der Grad der Intervention der Tele-Intensivstation mit der lokalen Intensivstation oder die Übertragung von Vitaldaten, ist hierbei variabel. Sie reicht von einer gelegentlichen Konsil-Tätigkeit, über tägliche Visiten, bis hin zu einer kontinuierlichen elektronischen, algorithmenbasierten Überwachung.