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Sind GKV-Routinedaten für Prävalenzschätzungen von Schilddrüsenerkrankungen geeignet? Eine Analyse hausärztlicher Diagnosendokumentation
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Published: | September 22, 2015 |
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Hintergrund: Schilddrüsenerkrankungen (SD-EK) gehören in den Hausarztpraxen zu häufig abgerechneten Diagnosen [1]. 2012 verwies eine Studie im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes zur Kodierqualität darauf, dass u.a. bei den SD-EK von einer Unterkodierung aufgrund unzureichender Dokumentation ausgegangen werden muss. Es zeigte sich, dass bei mehr als einem Fünftel der Versicherten mit Verordnung eines Schilddrüsenmedikaments eine entsprechende SD-Diagnose fehlte [2].
Fragestellung: Welche Qualität der Dokumentation zeigt sich bei Patienten mit SD-EK in Dresdner Hausarztpraxen? Wie häufig kommen fehlende, nicht aktualisierte oder unspezifische Kodierungen vor?
Methodik: Im Rahmen der Querschnittstudie „Multimedikation und ihre Folgen für die hausärztliche Patientenversorgung in Sachsen“ wurden 1846 Krankenakten multimorbider Patienten mit mind. zwei Dauerdiagnosen sowie zwei Dauermedikamenten in Lehrpraxen der TU Dresden retrospektiv für ein randomisiertes Quartal 2012 analysiert [3]. Die Daten wurden einer Überprüfung der Kongruenz von dokumentierten Diagnosen und Arzneimittelverordnungen hinsichtlich SD-EK und Medikation unterzogen. Unzureichende Dokumentationsqualität bestand, wenn a) trotz SD-Medikation keine Diagnose dokumentiert war, b) keine aktualisierte Diagnose z.B. bei SD-EK-Zustand nach OP oder c) eine unspezifische Kodierung (ICD-Codes mit dem Hinweis „nicht näher bezeichnet“) zur SD-EK vorlag. Um Prädiktoren für unvollständige oder ungenaue Dokumentation von SD-EK zu erkennen, wurde eine logistische Regression durchgeführt.
Ergebnisse: Die korrigierte Prävalenz von SD-EK lag in den sechs Praxen zwischen 26%–33%. Der Anteil unzureichend dokumentierter Schilddrüsendiagnosen gemessen an der Anzahl der einbezogenen Schilddrüsenpatienten betrug 26,8 Prozent (n=147). Es zeigten sich Anteile von a) nicht dokumentierten (1,1–35,8%), b) unpräzise (4,6–22,3%) und c) unspezifisch dokumentierten (14,9–73,8%) SD-Diagnosen für jede der sechs Hausarztpraxen. Eine hohe Anzahl verordneter Medikamente war ein signifikanter Prädiktor für eine unzureichende SD-EK-Dokumentation (für 5–8 Dauermedikamente OR = 2,4/p≤0.001 bzw. für 9–12 OR=4,0/p≤0.001 bzw. für 13–20 Dauermedikamente OR = 7,4/p≤0.001 vs. Referenzkategorie 1–4 Dauermedikamente, R²=0,098).
Diskussion: Studien unter Nutzung der Routinedaten der GKV haben in den letzten Jahren stetig an Relevanz gewonnen. Im Rahmen der hausärztlichen Tätigkeit kommt es jedoch immer wieder zu nicht oder unpräzise und unvollständig dokumentierten Diagnosen, welche die Qualität der GKV-Routinedaten hinsichtlich Verwendung für Prävalenzschätzung beeinflussen.
Praktische Implikation: Prävalenzschätzungen anhand von dokumentierten Diagnosen sind für SD-EK (wahrscheinlich auch weitere Diagnosen) methodisch stark limitiert und sollten immer unter Einbezug der dokumentierten Medikamentenverordnungen (Diagnosevalidierung) erfolgen.
Literatur
- 1.
- ZI. Die 50 häufigsten ICD-10-Schlüsselnummern nach Fachgruppen. Verfügbar unter: http://www.zi.de/cms/fileadmin/images/content/PDFs_alle/Die_50_h%C3%A4ufigsten_ICD-2013.pdf
- 2.
- IGES Institut GmbH. Bewertung der Kodierqualität von vertragsärztlichen Diagnosen – Eine Studie im Auftrag des GKV-Spitzenverbands in Kooperation mit der BARMER GEK. Berlin: 2012.
- 3.
- Köberlein, et al. General practitioners’ views on polypharmacy and its consequences for patient health care. BMC Family Practice. 2013;14:119.