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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Schweregraddifferenzierung bei der Analyse der vertragsärztlichen Inanspruchnahme nach der Durchführung von Psychotherapie

Meeting Abstract

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  • Michael Erhart - Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung, Versorgungsforschung und Risikostruktur, Berlin, Deutschland
  • Dominik von Stillfried - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, Berlin, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocV41

doi: 10.3205/15dkvf088, urn:nbn:de:0183-15dkvf0885

Published: September 22, 2015

© 2015 Erhart et al.
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Hintergrund: Das Klassifikationssystem der ICD-10 bietet nur für wenige psychische Störungen wie z.B. Depressionen die Möglichkeit einer – zumindest groben – Differenzierung des Schweregrades bei der Diagnosekodierung. Dies schränkt die Nutzung von Diagnosedaten z.B. aus Routinedaten für viele Fragestellungen ein. Die Evaluation von psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgungsverfahren bspw. erfordert eine Berücksichtigung des Schweregrads bzw. des Versorgungsbedarfs damit die Entmischung der Risikostruktur bspw. durch die Selektion zu bestimmten Verfahren berücksichtigt werden kann. Bisherige Studien zur Bedeutung bspw. psychotherapeutischer Behandlungen für die nachfolgende Entwicklung der Versorgungskosten resultieren zum Teil in paradoxen Ergebnissen da die behandelten nachfolgend „mehr“ Leistungen in Anspruch nehmen als unbehandelte Kontrollen (Shen et al., 2013). Mögliche Ansatzpunkte zu einer Differenzierung des Schweregrads unterhalb einer Diagnosekategorie betreffen z.B. das Disease-Staging, die Anwendung von Risiko- und Patientenklassifikationssystemen sowie die Bildung von Morbiditäts-/Komorbiditätsscores.

Fragestellung: Diese Arbeit untersucht die Bedeutung von ambulanten psychotherapeutischen Behandlungen bei Depressionen für die Entwicklung der ambulanten Inanspruchnahme psychischer und somatischer Versorgung. Spezifisch wird geprüft in wie weit die statistische Kontrolle für verschiedene aus Routinedaten gebildeten Indikatoren des a-priori bestehenden Versorgungsbedarfs zu unterschiedlichen Ergebnissen führt.

Methode: Datengrundlage sind die vertragsärztlichen Abrechnungsdaten aller gesetzlich Krankenversicherten die in den Jahren 2008 bis 2011 mindestens einen über das KV-System abrechnenden Arzt oder Psychotherapeuten in Anspruch genommen haben und die im Jahr 2010 eine Depressionsdiagnose erhalten haben. Analysiert wird die Inanspruchnahme ambulanter somatischer und psychischer Versorgungen vor während und nach 2010 bei Patienten die im Jahr 2010 psychotherapeutische Leistungen in Anspruch genommen haben oder nicht. Schweregraddifferenzierungen erfolgen unter Berücksichtigung von a-priori Inanspruchnahmen, morbiditätsbedingt erwarteten Inanspruchnahmen und Persistenz der Depression.

Ergebnisse: Nur ein geringer Anteil der Patienten mit Depressionen nehmen probatorische Sitzungen oder antragspflichtige Psychotherapien in Anspruch. Abhängig von der jeweiligen Altersgruppe erhalten maximal 21% der Patienten antragspflichtige Leistungen. Psychotherapeutisch versorgte Patienten unterscheiden sich in ihrer a-priori Risikostruktur von anderen Depressionspatienten. Die statistische Adjustierung für die in dieser Arbeit operationalisierten a-priori Schweregradindikatoren hat deutliche Auswirkungen auf die gemessene Entwicklung der Versorgungskosten.

Diskussion: Die Ergebnisse weisen auf die Bedeutung einer Erfassung und Berücksichtigung von a-priori Bedarfslagen für die Erfassung von Therapieoutcomes hin. In der Sitzung werden die Möglichkeiten und Grenzen sowie die Risiken entsprechender Operationalisierungen und Adjustierungen diskutiert.

Praktische Implikationen: Insbesondere die Messung der Outcomes von therapeutischen Verfahren mit Routinedaten erfordert eine sorgfältige und angemessene Schweregrad- und Bedarfsdifferenzierung. Weitere Implikationen betreffen die Erfassung der Versorgungsqualität und die Abschätzung des morbiditätsbedingt erwarteten Leistungsbedarfs.


Literatur

1.
Shen C, Shah N, Findley PA, Sambamoorthi U. Depression treatment and short-term healthcare expenditures among elderly Medicare beneficiaries with chronic physical conditions. Journal of Negative Results in BioMedicine. 2013;12:15.