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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Empirische Ansätze zur Evaluation von Qualitätsindikatoren

Meeting Abstract

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  • Jürgen Stausberg - DNVF-Arbeitsgruppe Register, Essen, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocV28

doi: 10.3205/15dkvf073, urn:nbn:de:0183-15dkvf0731

Published: September 22, 2015

© 2015 Stausberg.
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Hintergrund: Quantitative Größen zur Messung der Qualität und der Sicherheit gesundheitsbezogener Leistungen und Versorgungssituationen werden als Indikatoren bzw. Qualitätsindikatoren bezeichnet. Die Entwicklung von Qualitätsindikatoren im Sinne einer Identifikation und Definition möglicher Kandidaten ist nur gering formalisiert. Vorschläge für Qualitätsindikatoren sollten strukturiert beschrieben werden. Dies unterstützt bereits bei der Entwicklung die Reflektion über ihre Eignung und bereitet durch eine eindeutige Definition die Evaluation vor. Zur Durchführung einer Evaluation von Qualitätsindikatoren liegen dann umfassende Konzepte und ausgearbeitete Verfahrensempfehlungen vor.

Fragestellung und Methodik: Die Evaluation möglicher Qualitätsindikatoren befasst sich im Idealfall mit dem Ausmaß, in dem diese die Erreichung vorab definierter Ziele unterstützen. Beim Einsatz in einem PDCA-Zyklus kann dies die Verbesserung der Patientensicherheit sein, bei der Verwendung von Indikatoren als Einstieg in ein Peer Review eine hohe Trefferquote von Auffälligkeiten in der Aktendurchsicht, bei der öffentlichen Darlegung von Ergebnissen in Patientenportalen eine Auswahl der Leistungserbringer durch Patienten entsprechend ihrer Präferenzen oder bei der qualitätsorientierten Vergütung eine gerechte Belohnung oder Bestrafung. Ganz allgemein lässt sich fordern, dass durch Qualitätsindikatoren aufgedeckte Unterschiede zwischen Leistungserbringern, Regionen oder Versorgungskonzepten weitestgehend auf die Einflussmöglichkeiten der interessierenden Faktoren zurückzuführen sind. Andere Faktoren sollten nicht dominieren, was ggf. über eine entsprechende Korrektur auszugleichen ist. Bei der Evaluation lassen sich Zugänge über strukturierte Konsensverfahren mit Einbindung relevanter Expertengruppen von quantitativen, Daten-gestützten Verfahren unterschieden. Beispielhaft sollen beide Zugänge an Hand der für die Ausgestaltung der Qualitätssicherung nach § 137 Sozialgesetzbuch (SGB) V verwendeten Methoden skizziert werden.

Ergebnisse: In der Regel befassen sich die eingesetzten Evaluationskonzepte mit Gütekriterien, die nur mittelbar mit der Zielerreichung verbunden sind. Die zur Güteprüfung verwendeten Kriterien lassen sich zumeist dem in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts geprägten Akronym RUMBA zuordnen: Qualitätsindikatoren sollten wichtige Versorgungssituationen erfassen (relevant), sie sollten verständlich sein (understandable), ihre Berechnung sollte einfach möglich sein (measurable), die Versorgungssituation sollte beeinflussbar (behavioral) und Ziele sollten erreichbar sein (achievable). Für die Ausgestaltung der Qualitätssicherung nach § 137 SGB V wird als Konsensverfahren die RAND Appropriateness Method (RAM) eingesetzt. In einem systematisch zusammengestellten Panel werden in zwei Runden die Indikatoren hinsichtlich ihrer Relevanz, Klarheit/Verständlichkeit, Praktikabilität und Eignung für die einrichtungsbezogene öffentliche Berichterstattung bewertet. Für die vier Kriterien sind weiche Schwellenwerte zum Einschluss bzw. Ausschluss im weiteren Verfahren beschrieben. Wesentlich umfassender ist das mit QUALIFY bezeichnete Verfahren, welches als „Instrument zur Bewertung von Qualitätsindikatoren“ angeboten wird. QUALIFY beinhaltet 20 Gütekriterien, die über die drei Kategorien Relevanz, Wissenschaftlichkeit und Praktikabilität geordnet sind. Hierbei wird der mit RUMBA beschriebene Kern von Kriterien erweitert. So beinhaltet die Relevanz auch den Nutzen im Sinne der oben diskutierten Zielerreichung. Ebenso werden mögliche Fehlanreize durch Qualitätsindikatoren bedacht. Ein Daten-gestützter Zugang findet sich vor allem unter den Gütekriterien der Wissenschaftlichkeit mit Betrachtung der Reliabilität, der Validität und der Diskriminationsfähigkeit. Unter Praktikabilität wird mit mehreren Kriterien der Dokumentationsaspekt aufgegriffen. So soll die Güte der dem Indikator zu Grunde liegenden Dokumentation hinsichtlich ihrer Vollzähligkeit, Vollständigkeit und Richtigkeit überprüfbar sein. Auch der Erhebungsaufwand ist als Kriterium genannt.

Diskussion: National und international finden sich bei den systematischen Ansätzen zur Evaluation von Qualitätsindikatoren bevorzugt Konsensverfahren, die vor allem inhaltliche Kompetenz einbinden. Konsens-basierte Ansätze sind allerdings weit entfernt von einer zielorientierten Güteprüfung von Qualitätsindikatoren. Es verwundert daher nicht, dass der praktische Wert vieler, z. T. auch sehr sorgfältig evaluierter Indikatoren als gering bewertet wird. Ein Daten-gestützter Zugang bei der Evaluation kann zumindest Informationen zur Performance von Indikatoren ergänzen und sollte daher zukünftig stärker Berücksichtigung finden. Hierfür stehen viele Kennzahlen zur Verfügung. Die Entwicklung von Ansätzen zu einer zielorientierten Evaluation von Indikatoren stellt eine aktuelle Herausforderung für die Qualitäts- und Patientensicherheitsforschung dar.