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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Determinanten einer erhöhten Leistungsinanspruchnahme von Patienten mit Diabetes Typ 2 – eine Analyse auf Basis von Befragungs- und Routinedaten

Meeting Abstract

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  • Miriam Blümel - Technische Universität Berlin, Fachgebiet Management im Gesundheitswesen, Berlin, Deutschland
  • Julia Röttger - Technische Universität Berlin, Fachgebiet Management im Gesundheitswesen, Berlin, Deutschland
  • Reinhard Busse - Technische Universität Berlin, Fachgebiet Management im Gesundheitswesen, Berlin, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocFV46

doi: 10.3205/15dkvf043, urn:nbn:de:0183-15dkvf0431

Published: September 22, 2015

© 2015 Blümel et al.
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Hintergrund: Patienten mit chronischer Erkrankung, darunter insbesondere Typ 2 Diabetiker, nehmen vermehrt gesundheitliche Leistungen in Anspruch. Bisher ist nicht eindeutig belegt, welche Faktoren neben der Morbidität diese Inanspruchnahme erklären. Das in den 1960er Jahren von Ronald M. Andersen entwickelte Verhaltensmodell der Inanspruchnahme gesundheitsbezogener Leistungen stellt ein international bewährtes Bezugsmodell zur Analyse der Inanspruchnahme dar. Andersen bezeichnet Merkmale, die sich direkt auf die Inanspruchnahme auswirken (z.B. Demografie, Sozialstruktur, Health Beliefs) als „predisposing Faktoren“. „Enabling Faktoren“ sind eine notwendige Voraussetzung zur Inanspruchnahme von Leistungen (z.B. Einkommen, Krankenversicherung). „Need Faktoren“ beschreiben den durch einen Arzt objektivierten Bedarf sowie den subjektiv wahrgenommenen Bedarf einer Person.

Fragestellung: Welche „predisposing“, „enabling“ und „need“ Faktoren sind mit einer erhöhten Inanspruchnahme ambulanter Facharztleistungen von Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 assoziiert?

Daten und Methode: Die Analyse basiert auf Daten einer im Oktober 2013 durchgeführten bundesweiten postalischen Befragung von Typ 2 Diabetikern. Den mit den Befragungsdaten verknüpften Routinedaten der Techniker Krankenkasse entstammt die Anzahl der Facharztabrechnungen über den Zeitraum April 2012 bis September 2013. Soziodemographische und gesundheitsbezogene Variablen stammen aus Befragungs- und Routinedaten und wurden analog zu Andersens Verhaltensmodell der Inanspruchnahme in „predisposing“ (z.B. Alter), „enabling“ (z.B. Einkommen) und „need“ (z.B. Morbidität) Faktoren operationalisiert. Mittels binär logistischer Regressionsanalyse wurde die erhöhte Inanspruchnahme von Facharztleistungen vorhergesagt.

Ergebnisse: Es wurden 6.577 Fälle in die Analyse einbezogen. Das Alter der Befragten beträgt im Mittel 68,1 Jahre (±10,3). Der Anteil an Männern liegt bei 67,5%. Die durchschnittliche Anzahl der Facharztabrechnungen über alle sechs Beobachtungsquartale liegt bei 20. 730 Fälle (11,1%) befinden sich im 90%-Perzentil und werden mit mehr als 40 Facharztabrechnungen als „High-Utilizer“ definiert. Faktoren, die die vorhergesagte Wahrscheinlichkeit einer erhöhten Leistungsinanspruchnahme signifikant (p<0,05) erhöhen, sind unter anderem: weibliches Geschlecht, krankheitsbedingt fehlende Erwerbstätigkeit, subjektiv wahrgenommene Benachteiligung, mittleres Nettoäquivalenzeinkommen, erhöhter Diabetes Schweregrad sowie das Auftreten diabetesspezifischer und anderer Komorbiditäten. Die Wahrscheinlichkeit nimmt signifikant ab, wenn die Befragten in ländlichen Regionen leben und eine hohe wahrgenommene gesundheitsbezogene Lebensqualität berichten.

Diskussion: Es konnte eine Reihe von Faktoren identifiziert werden, die mit einer erhöhten Inanspruchnahme ambulanter Facharztleistungen bei Typ 2 Diabetikern assoziiert sind. Für Faktoren, die in Andersens Modell als „predisposing“ bzw. „need“ kategorisiert sind, konnte ein stärkerer Einfluss nachgewiesen werden als für „enabling“ Faktoren, was durch die Struktur des deutschen Gesundheitswesen erklärt werden kann. So sind mit der allgemeinen Krankenversicherungspflicht und relativ niedrigen Zuzahlungen notwendige Zugangsvoraussetzungen zur Inanspruchnahme geschaffen. Des weiteren haben Diabetiker aus ländlichen Wohnregionen eine geringere Wahrscheinlichkeit zur Gruppe der Hochnutzer von Facharztleitungen zu gehören als Diabetiker in urbanen Regionen, was die Frage nach einer bedarfsgerechten Versorgung aufwirft.

Praktische Implikationen: Die Determinanten einer bedarfsorientierten Versorgung werden in der vorliegenden Studie gut abgebildet und können zur Planung der ambulanten fachärztlichen Versorgung herangezogen werden.