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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Versorgungssituation von Erwachsenen mit Spina bifida in Deutschland

Meeting Abstract

  • Birgit Babitsch - Universität Osnabrück, FB 8 Gesundheitswissenschaften - Fachgebiet New Public Health, Osnabrück, Deutschland
  • Ann-Christin Schipper - Universität Osnabrück, FB 8 Gesundheitswissenschaften - Fachgebiet New Public Health, Osnabrück, Deutschland
  • Michael Unrath - Universität Osnabrück, Fachbereich Humanwissenschaften/ Gesundheitswissenschaften - Fachgebiet New Public Health, Osnabrück, Deutschland
  • Theodor Michael - Charité - Universitätsmedizin Berlin, SPZ Neuropädiatrie/Entwicklungsneurologie/Neonatologie, Berlin, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocFV44

doi: 10.3205/15dkvf041, urn:nbn:de:0183-15dkvf0412

Published: September 22, 2015
Published with erratum: October 5, 2015

© 2015 Babitsch et al.
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Text

Hintergrund: Menschen mit Spina bifida unterscheiden sich sehr in ihren gesundheitlichen Einschränkungen, ihren kognitiven Fähigkeiten und ihrer sozialen Lebenssituation. Aufgrund der Komplexität des Beschwerdebildes ist eine multidisziplinäre Versorgung durch ein spezialisiertes Team aus verschiedenen Fachrichtungen (Neurologie, Urologie, Orthopädie, Physiotherapie, Pflege, Sozialdienst) erforderlich. Für Kinder und Jugendliche steht diese Versorgung regelhaft in Form der Sozialpädiatrischen Zentren zur Verfügung. Den Erwachsenen ist es aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen bislang nur in Ausnahmefällen möglich, diese Einrichtungen zu besuchen, so dass für diese Versorgungslücken entstehen.

Fragestellungen: Wie gestaltet sich die aktuelle Versorgungssituation der Erwachsenen mit Spina bifida in Deutschland? Wo liegen die Defizite in der Versorgung? Welche Bedürfnisse haben Erwachsenen mit Spina bifida in Hinblick auf ihre Versorgung? Wie müssten Versorgungsstrukturen in Zukunft gestaltet werden?

Methode: Die Studie verfolgt einen Multi-Methodenansatz aus qualitativen und quantitativen Elementen. In leitfadengestützten Interviews wurde die Versorgungssituation aus der Perspektive von insgesamt 41 Expertinnen und Experten der Versorgung (Medizin, Pflege, Therapie, Sozialarbeit, Selbsthilfe) und Betroffenen beleuchtet. In einer anschließenden deutschlandweiten Befragung (Juni bis September 2014) wurde die Perspektive der Betroffenen (N=447) erfasst. Folgende Themenbereiche wurden in dem Fragebogen erfragt: Aktuelle Lebenssituation, Angaben zur Gesundheit, Aktivitäten des täglichen Lebens, Kontinenzsituation, Freizeitgestaltung und Lebensraum, medizinische Versorgungssituation, Versorgungskonzepte und Lebensqualität. Aufbauend auf den Ergebnissen der beiden Untersuchungsabschnitte sollen in Fokusgruppen Versorgungskonzepte konkretisiert werden.

Ergebnisse: Die Experten/-innen benennen vielfache Probleme und Schwierigkeiten für Erwachsene mit Spina bifida in der medizinischen Versorgung sowie in der sozialen Lebenslage. Insbesondere die unterschiedlichen Zugangsvoraussetzungen einzelner Einrichtungen, die mangelnde Qualifikation der medizinischen Fachdisziplinen hinsichtlich der Thematik Spina bifida und das Fehlen konkreter Versorgungsstrukturen für Erwachsene stellen derzeit ein großes Hindernis für eine erfolgreiche Transition dar.

An der deutschlandweiten Befragung nahmen insgesamt 180 Männer und 258 Frauen im Alter von 18 bis 78 Jahren (Mittelwert: 34 Jahre) teil. Die Teilnehmer/-innen der Befragung bewerten ihre derzeitige Versorgungssituation mit der Durchschnittsnote 3. Mehr als ein Drittel der Teilnehmer/-innen geben an, dass den Ärzten/-innen und Therapeuten/-innen das Wissen über das Krankheitsbild Spina bifida fehlt. Zudem müssen weite Strecken gefahren werden, um kompetente Ansprechpartner für das Krankheitsbild zu finden. Auch stellt es ein Problem dar, den/die Arzt/Ärztin zu wechseln, wenn man unzufrieden ist.Insgesamt werden multiprofessionelle und umfassende Versorgungskonzepte (zentral oder dezentral) sowohl von den Experten/-innen als auch von den Befragungsteilnehmern/-innen favorisiert.

Diskussion: Die qualitativen und quantitativen Ergebnisse zeigen, einen Bedarf an umfassenden und gut zu erreichenden Versorgungstrukturen für Erwachsene mit Spina bifida auf, die medizinische wie auch soziale Bereiche berücksichtigen sollten. Diese können sowohl als zentrale Einrichtung als auch im niedergelassenen Bereich umgesetzt werden.

Praktische Implikationen: Die Ergebnisse der Studie können als Unterstützung für die Entwicklung und Implementierung von Versorgungsstrukturen für die Erwachsenen mit Spina bifida in Deutschland genutzt werden. Gerade unter Berücksichtigung des Gesetzesentwurfes zum Versorgungsstärkungsgesetz, in dem unter § 119c die Gründung Medizinischer Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen aufgeführt wird, können die Erkenntnisse der Studie von Bedeutung sein.

Die Studie wurde durch eine großzügige Privatspende einer betroffenen Mutter ermöglicht.


Erratum

Der Autor Unrath wurde nachträglich ergänzt.