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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Evaluation im Längsschnitt – Behandlungsverläufe in der Kinder- und Jugendpsychiatrie

Meeting Abstract

  • Roman Winkler - Ludwig Boltzmann Institut für Health technology Assessment, Wien, Österreich
  • Leonhard Thun-Hohenstein - Christian Doppler Klinik, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Salzburg, Österreich
  • Corinna Fritz - Christian Doppler Klinik, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Salzburg, Österreich

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocFV42

doi: 10.3205/15dkvf039, urn:nbn:de:0183-15dkvf0399

Published: September 22, 2015

© 2015 Winkler et al.
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Text

Hintergrund: Der Forschungsbereich „Evaluation" erlebt quer durch Forschungs- und Wissenschaftsdisziplinen eine Hochkonjunktur. Grundsätzlich erlaubt die Wahl unterschiedlicher Ausgangspunkte und Fragestellungen eine Überprüfung der Strukturen, der Prozesse und/oder der Ergebnisse. In der Medizin und Public Health Forschung gewinnen Überprüfungen der Ergebnisqualität zunehmend an Stellenwert. Vor diesem Hintergrund nähert sich dieser Beitrag einem Gesundheitsbereich, in dem systematische Überprüfungen (noch) weitgehend unterrepräsentiert sind: Evaluationen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Fragestellung: Welche Entwicklungs- und Behandlungsverläufe zeigen sich im Längsschnitt bei Kindern und Jugendlichen mit psychiatrischen Erkrankungen, die stationär bzw. ambulant betreut bzw. behandelt werden im Hinblick auf die klinische Symptomkontrolle, die Lebensqualität und die Behandlungszufriedenheit?

Methoden: Auf Basis einer systematischen Literaturübersicht wurden validierte Messinstrumente zur Erhebung des klinischen Behandlungserfolgs, der Behandlungszufriedenheit und der Lebensqualität identifiziert. Das Studiendesign umfasste eine Primärdatenerhebung (von 11/2011 - 01/2014) an einer Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Im Zuge der Datenerhebung wurden Kinder und Jugendliche, primäre Bezugspersonen sowie das Behandlungsteam zu vier Messzeitpunkten (T) mit Fragebögen zum Entwicklungsverlauf während des Klinikaufenthalts bzw. nach Entlassung mittels standardisierter Fragebögen befragt. Die vier Messzeitpunkte umfassten die Klinikaufnahme (T1), die Entlassung (T2), 6 Wochen nach der Entlassung (T3) und eine weitere katamnestische Befragung 18 Monate nach der Entlassung (T4), wobei die Erhebungen zu T4 erst Ende 2015 abgeschlossen sein werden.

Ergebnisse: Insgesamt konnten für die klinische Auswertung Daten von 229 PatientInnen (78 % stationär; 22 % ambulant) gewonnen werden. Die Gruppe der Jugendlichen (15–17 Jahre) stellt mit rund 52 % die größte Evaluierungspopulation dar. Hinsichtlich der Verteilung der psychiatrischen Diagnosen zeigten sich Schwerpunkte bei den neurotischen Belastungs- und somatoformen Störungen (37 % bei F4 lt. ICD-10) und den Verhaltens- und emotionalen Störungen (26 % bei F9 lt. ICD-10). Eine deutliche Besserung der klinischen Symptomatik konnte sowohl bei der Entlassung als auch 6-Wochen nach der Entlassung festgestellt werden (bei rund 51 % bzw. 44 % der Kinder und Jugendlichen). Grundsätzlich zeigten sich jedoch die größten Effekte in der Längsschnittstudie bei allen drei Evaluierungsdimensionen (Erfolg, Zufriedenheit und Lebensqualität) zwischen der kinder-/jugendpsychiatrischen Aufnahme (T1) und der Entlassung (T2) der Kinder und Jugendlichen. Hingegen kommt es zu einer Abflachung der unterschiedlichen Ergebnisscores (z.B. bei der Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen) zwischen der Entlassung (T2) und der Befragung 6 Wochen nach Entlassung (T3).

Diskussion: Prinzipiell bringt die Evaluation von Entwicklungs- und Behandlungsverläufen bei Kindern und Jugendlichen mit psychiatrischen Erkrankungen unter klinischen Alltagsbedingungen große Herausforderungen für die PatientInnen, die primären Bezugspersonen und das Klinikpersonal mit sich. In diesem Zusammenhang war daher der Einsatz von reliablen und validen Instrumenten und die Motivation aller Beteiligten gefordert, um die Evaluation (und damit den erheblichen zusätzlichen Arbeitsaufwand für alle) durchführen zu können. Hinsichtlich der (vorläufig) erzielten Outcome-Ergebnisse geben sich ähnliche Entwicklungstrends zu erkennen, wie in einer vergleichbar gestalteten deutschen bzw. österreichischen Evaluationsstudie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Praktische Implikationen: Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen zeigten in dieser Studie durchwegs erfolgsversprechende Entwicklungsverläufe. Die Aufrechterhaltung von positiven Verläufen kann allerdings als eine grundlegende Herausforderung bei der Nachhaltigkeit von kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlungen erachtet werde. Die engmaschige Kooperation mit extramuralen Einrichtungen unter Einbeziehung von zentralen Bezugspersonen (Eltern, LehrerInnen etc.) gilt als ein zentraler Erfolgsfaktor. Zudem sind aus Public Health Sicht die sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen, Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Partizipation (z.B. in Schulen, Lehrstellen etc.) etc. verstärkt als zentrale Einflussfaktoren auf die Gesundheit und Krankheit von Kindern und Jugendlichen zu berücksichtigen.