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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Stentimplantationen bei Patienten mit koronaren Herzerkrankungen – ein Einblick in die Versorgungswirklichkeit

Meeting Abstract

  • Roland Linder - WINEG - Wissenschaftliches Institut der TK für Nutzen und Effizienz im Gesundheitswesen, Hamburg, Deutschland
  • J. Zeidler - CHERH - Center for Health Economics Research Hannover, Hannover, Deutschland
  • T. Schilling - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie (HTTG), Hannover, Deutschland
  • Frank Verheyen - WINEG - Wissenschaftliches Institut der TK für Nutzen und Effizienz im Gesundheitswesen, Hamburg, Deutschland
  • A. Haverich - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie (HTTG), Hannover, Deutschland
  • J.-Matthias Graf von der Schulenburg - CHERH - Center for Health Economics Research Hannover, Hannover, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocV18

doi: 10.3205/15dkvf010, urn:nbn:de:0183-15dkvf0104

Published: September 22, 2015

© 2015 Linder et al.
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Text

Der Vorteil einer chirurgischen Koronarrevaskularisation (CABG) gegenüber der perkutanen Koronarintervention (PCI) ist zumindest für die Versorgung der koronaren Dreigefäßerkrankung (TVD) nachgewiesen worden [6, 8-11]. In einer gemeinsamen Auswertung des Registers des American College of Cardiology Foundation (ACCF) und der Amerikanischen Gesellschaft der Thoraxchirurgen (STS) das Langzeitüberleben von insgesamt 189.793 Patienten mit koronarer Mehrgefäßerkrankung nach entweder PCI oder CABG untersucht. Während nach einem Jahr noch keine signifikanten Unterschiede der Mortalität beider Gruppen ermittelt wurden, fand sich nach vier Jahren eine höhere Überlebensrate der CABG-Patienten [11]. Über den Endpunkt Mortalität dieser Registerstudie hinaus, wurden in der prospektiven, randomisierten SYNTAX-Studie (Synergy between PCI with Taxus and Cardiac Surgery) die wesentlichen kardialen und zerebrovaskulären Komplikationen (MACCE) der chirurgischen und der interventionellen Behandlung von 1.800 Patienten mit schwerer Koronarer Herzerkrankung (CHD) verglichen. Als kombinierter primärer Endpunkt wurden die Raten von Tod sowie kardialen und zerebrovaskulären unerwünschten Ereignissen (MACCE) zusammengefasst. Nach nur drei Jahren zeigte sich, dass die chirurgische Bypassoperation der Katheterintervention signifikant überlegen ist [6]. Nach fünf Jahren konnte noch eine Überlegenheit des aorto-koronaren Bypass als Therapie der Dreigefäßerkrankung hinsichtlich der Myokardinfarktrate und erneuter Revaskularisierung gefunden werden [8]. Wird nach Stent-Implantationen in der Vorgeschichte ein chirurgischer Eingriff unausweichlich, so erfolgt dieser meistens unter zweifacher antikoagulatorischer Therapie (Thrombozytenaggregationshemmer und Vitamin-K-Antagonisten) und damit erhöhten perioperativen Risiken für den Patienten [2]. Die erneute Re-Vaskularisierung bedeutet nicht nur ein erneutes und höheres medizinisches Risiko sowie eine zusätzliche Belastung für die Patienten, sondern geht auch mit höheren Kosten für die Solidargemeinschaft einher [5].

In den deutschen Leitlinien der Bundesärztekammer zur Behandlung der chronischen koronaren Herzkrankheit wird daher bei Vorliegen einer Dreigefäßerkrankung die chirurgische Koronarrevaskularisierung empfohlen [4]. Dennoch kann seit der Einführung der medikamentenfreisetzenden Stents insgesamt eine Zunahme der Rate an perkutanen Koronarrevaskularisationen beobachtet werden, während die Zahl der Bypassoperationen im gleichen Zeitraum sank [1], [3], [7]. Gemäß den Empfehlungen aus der deutschen Versorgungsleitlinie zur chronischen koronaren Herzkrankheit ist nun zu erwarten, dass die große Mehrzahl der interventionellen Revaskularisierungen bei Patienten mit Ein- und Zweigefäßerkrankungen durchgeführt wird. Gleichwohl sind spezielle Indikationen und Befundkonstellationen vorstellbar, wie z.B. starke Komorbidität und ein extremes Risiko, einen offen-chirurgischen Eingriff nicht zu überleben, bei denen auch Dreigefäßerkrankungen interventionell therapiert werden sollten. Nichtsdestotrotz sollte der Anteil der Patienten mit koronarer Dreigefäßerkrankung, die mit einer PCI behandelt wurden, wesentlich niedriger ausfallen, als der Anteil der mit diesem Verfahren versorgten Patienten mit koronarer Ein- oder Zweigefäßerkrankung.

In den verfügbaren Untersuchungen zu PCI und CABG wurde eine systemische Leitlinienkonformität bisher nicht analysiert. Zudem lassen die niedrigen Patientenzahlen der verfügbaren klinischen Studien eine flächendeckende Aussage zur leitliniengerechten Indikation der PCI kaum zu. Ziel der vorliegenden Studie ist daher die Überprüfung der leitliniengerechten Versorgung von Patienten mit koronarer 3-Gefäßerkrankung anhand der Abrechnungsdaten einer großen deutschen Krankenkasse. Dazu wurden die GKV-Routinedaten aus den Jahren 2008–2013 der Techniker Krankenkasse mit derzeit mehr als 9 Millionen Versicherten und damit eine ca. 12% Stichprobe der gesetzlich krankenversicherten Bevölkerung Deutschlands analysiert. Die Grundgesamtheit wurde nach den dokumentierten Gefäßerkrankungen in 3 Gruppen aufgeteilt (ICD-10 GM I25.11 = koronare Eingefäßerkrankung, ICD-10 GM I25.12 = koronare Zweigefäßerkrankung, ICD-10 GM I25.13 = koronare Dreigefäßerkrankung). Für jede Gruppe wurden anschließend sektorübergreifend Leistungsziffern (OPS und EBM) identifiziert, die auf eine Stent-Implantation schließen lassen. Auch wurden Lebensalter und Ausmaß der Komorbidität analysiert, die Ergebnisse wurden anhand des Mikrozensus 2011 alters- und geschlechtsadjustiert.

Zum heutigen Stand der Ergebnisse zeichnet sich ab, dass abweichend von der Leitlinie bei mehr als 40% der Patienten ein Stent implantiert wurde. Detaillierte Angaben werden auf dem DKVF 2015 vorgestellt werden verbunden mit der Forderung nach einer engen interdisziplinäre Zusammenarbeit von Kardiologen und Herzchirurgen gemäß der gemeinsamen aktuellen Leitlinien von ESC und EACTS im Sinne einer optimalen Patientenversorgung.


Literatur

1.
Beckmann A, Funkat AK, Lewandowski J, Frie M, Schiller W, Hekmat K, Gummert JF, Mohr FW. Cardiac surgery in Germany during 2012: a report on behalf of the German Society for Thoracic and Cardiovascular Surgery. Thorac Cardiovasc Surg. 2014; 62(1):5-17.
2.
Biancari F, Myllylä M, Lepojärvi S, Kuttila K, Porela P, Laitio T, Ylitalo A, Jokinen V, Luokkala A, Airaksinen K. Preoperative warfarin treatment and outcome of coronary artery bypass graft surgery. Ann Thorac Surg. 2010; 89(4):1139-45.
3.
Bruckenberger E. Multidisciplinary health report on cardiology and cardiac surgery. 25 ed. Hannover: 2013.
4.
Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften. Nationale VersorgungsLeitlinie Chronische KHK - Langfassung. 2 ed. Berlin: Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin; 2013.
5.
Cohen DJ, Lavelle TA, Van Hout B, Li H, Lei Y, Robertus K, Pinto D, Magnuson EA, Mcgarry TF, Lucas SK, Horwitz PA, Henry CA, Serruys PW, Mohr FW, Kappetein AP. Economic outcomes of percutaneous coronary intervention with drug-eluting stents versus bypass surgery for patients with left main or three-vessel coronary artery disease: one-year results from the SYNTAX trial. Catheter Cardiovasc Interv. 2012 Feb 1;79(2):198-209. DOI: 10.1002/ccd.23147 External link