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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Regionale Unterschiede bei der Verordnungsentwicklung neuer Arzneimittel am Beispiel des Antidiabetikums Liraglutid

Meeting Abstract

  • Jana Lohmann - ZI, Versorgungsatlas, Berlin, Deutschland
  • Jörg Bätzing-Feigenbaum - ZI, Versorgungsatlas, Berlin, Deutschland
  • Mandy Schulz - ZI, Versorgungsatlas, Berlin, Deutschland
  • Maike Schulz - ZI, Versorgungsatlas, Berlin, Deutschland
  • Mirjam Thanner - Universität Bayreuth, Institut für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften, Bayreuth, Deutschland
  • Klaus Nagels - Universität Bayreuth, Institut für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften, Bayreuth, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocFV48

doi: 10.3205/15dkvf005, urn:nbn:de:0183-15dkvf0054

Published: September 22, 2015

© 2015 Lohmann et al.
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Text

Hintergrund: Der zusätzliche Nutzen zahlreicher neuer Medikamente wird von Fachleuten oftmals kritisch hinterfragt. Zur tatsächlichen Verordnungsentwicklung neuer Arzneimittel liegen zurzeit jedoch nur wenige Daten vor. Ziel der vorliegenden Studie war es, den Verordnungsverlauf neuer Medikamente am Beispiel des Antidiabetikums Liraglutid (GLP-1-Analogon) darzustellen und zu analysieren. Aufgrund der hohen Kosten und der Unsicherheiten bzgl. des Nutzens und der Risiken empfiehlt der gemeinsame Bundesausschuss die Gabe von GLP-1-Analoga lediglich für adipöse Typ 2-Diabetiker, bei denen durch orale Antidiabetika keine angemessene Blutzuckerkontrolle erreicht werden konnte.

Methodik: Aus den bundesweit vorliegenden, kassenübergreifenden Arzneiverordnungsdaten wurden die Arzneiverordnungen zu Liraglutid (A10BX07), Exenatid (A10BX04) und der Gruppe der Antidiabetika exklusive Insuline (A10B) für den Zeitraum von 2009 bis 2012 extrahiert. Es wurden die Verordnungsmengen der beiden GLP-1-Analoga Liraglutid und Exenatid gegenübergestellt. Außerdem wurde für die Hausärzte und die fachärztlichen Internisten der Anteil an Liraglutid-Verordnungen je A10B-Verordnung ermittelt. Auf Kreisebene wurden die altersstandardisierte Verordnungsrate je 100.000 Einwohner und der Verordnungsanteil je A10B-Verordnung berechnet. Mit der Two-Step-Clusteranalyse wurden die Landkreise in Gruppen mit einer ähnlichen Verordnungsentwicklung eingeteilt.

Ergebnisse: Die Verordnungszahlen von Liraglutid stiegen während des gesamten Beobachtungszeitraums (2009 bis 2012) an, den größten Zuwachs (ca. 31.600 Verordnungen) gab es während des ersten halben Jahres nach der Markteinführung in 2009. Anfang 2010 wurde bereits mehr Liraglutid als Exenatid verordnet. Im vierten Quartal 2012 betrug die Differenz ca. 20.000 Verordnungen.

Regionale Unterschiede waren ab dem zweiten Jahr erkennbar und verstärkten sich im dritten Jahr. So lagen in den Landkreisen der neuen Bundesländer höhere alterstandardisierte Liraglutid-Verordnungsraten vor als in den alten Bundesländern. Die Unterschiede waren beim Indikator Liraglutid-Anteil je A10B-Verordnung jedoch wesentlich geringer.

Wenn das Verordnungsvolumen je 100 Ärzte betrachtet wird, ist bei den Hausärzten und fachärztlichen Internisten eine ähnliche Verordnungsentwicklung erkennbar. Bezogen auf die A10B Verordnungen ist der Liraglutid-Anteil der fachärztlichen Internisten jedoch 2,8-fach höher.

Die Landkreise konnten analytisch optimiert in vier Cluster eingeteilt werden. Die Cluster unterschieden sich bezüglich der Verordnungsentwicklung und –intensität signifikant, dargestellt anhand von vier Variablen.

Diskussion/Schlussfolgerung: Die Verordnungszahlen von Liraglutid stiegen während des gesamten Beobachtungszeitraums (2009 bis 2012) an. Liraglutid wurde gegenüber dem zweiten GLP-1-Analogon Exenatid bevorzugt. Die vorliegende Studie hat gezeigt, dass nur geringfügige regionale Unterschiede bezüglich des Verordnungsanteils von Liraglutid gemessen an den A10B-Verordnungen vorliegen. Der Verordnungsanteil ist bei fachärztlichen Internisten höher als bei Hausärzten. Ein möglicher Grund hierfür könnte sein, dass schwer einstellbare Diabetiker eher den Facharzt als den Hausarzt aufsuchen. Vermutlich liegt der Verordnungsanteil bei Diabetologen noch höher.

Die Landkreise ließen sich aufgrund ihres Verordnungsverlaufes in vier Cluster einteilen. Es sind weitere Analysen geplant, um den Einfluss von gesundheitsbezogenen und geografischen Faktoren auf die Clusterzugehörigkeit zu testen. Zukünftig sind weitere Untersuchungen notwendig, um die Verordnungsentwicklung anderer neuer Medikamente zu prüfen und ggf. Regelmäßigkeiten zu erkennen, insbesondere auch um den Einfluss der frühen Nutzenbewertung als neues Steuerungsinstrument des gemeinsamen Bundesausschusses auf den Verordnungsverlauf neuer Arzneimittel einzuschätzen.