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Die Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung: Ein Schwerpunkt in der medizin-geographischen Forschung
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Published: | September 22, 2015 |
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Die Entwicklung von einem politisch gesteuerten hin zu einem stärker wettbewerbsorientierten Gesundheitssystem mit einer zunehmenden Zahl von privaten Anbietern wirft vor dem Hintergrund veränderter soziodemographischer und sozioökonomischer Faktoren zunehmend die Frage auf, wie die gesundheitliche Versorgung zukünftig gewährleistet bzw. verbessert werden kann. Sowohl im ländlichen als auch im städtischen Raum unterscheiden sich die Zugangsmöglichkeiten zu Gesundheitsleistungen teilweise erheblich. Verstärkt wird diese Entwicklung u.a. durch eine Konzentration spezialisierter medizinischer Leistungen auf wenige Standorte und eine Zunahme der älteren Bevölkerung mit eingeschränkter Mobilität. Außerdem zeigen sich räumliche Unterschiede in der Inanspruchnahme von medizinischen Angeboten wie Früherkennungsuntersuchungen und im Vorkommen bestimmter „Zivilisationskrankheiten“ wie Diabetes.
In den 1970er Jahren wurde in den USA erstmals ein Forschungsbedarf für kleinräumige Unterschiede in der Gesundheitsversorgung aufgezeigt. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die Planung der Gesundheitsversorgung „kartenscheu“ sei und geographische Aspekte nur unzureichende Berücksichtigung fänden. Dies hat sich grundlegend geändert, zunächst im angelsächsischen Raum und in den vergangenen Jahren auch in Deutschland. Gesundheitliche Versorgung ist heute ein Thema für die Geographie und dies wird auch in der Versorgungsforschung wahrgenommen, wie der im März 2015 erschienene Versorgungsatlas Vorpommern zeigt.
Ein Schwerpunkt in der geographischen Versorgungsforschung sind Fragen zur Erreichbarkeit von medizinischen Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Arztpraxen und der Erreichbarkeit von Patienten z.B. durch Rettungsdienste. Eingesetzt werden quantitative Methoden wie die Netzwerkanalyse teilweise in Verbindung mit qualitativen Methoden wie Befragungen. Geographische Analysen haben gezeigt, dass die Bedarfsplanung für die ambulante ärztliche Versorgung in Deutschland bislang zu großräumig angelegt war und eine kleinräumigere Betrachtung bis hin zur Bebauungsblöcken notwendig ist, um die wohnortnahe Versorgung verbessern zu können.
In Ergänzung zu dem genannten – überwiegend in der positivistischen Tradition stehenden Forschungsschwerpunkt – sind in den vergangenen Jahren Arbeiten über regional aggregierte soziale Einflussfaktoren auf die Gesundheit entstanden. So konnte durch Studien gezeigt werden, dass Menschen, die in sozioökonomisch benachteiligten Regionen leben, häufiger von Typ-2-Diabetes und Adipositas betroffen sind.
Als Werkzeug zur Verarbeitung raumbezogener Informationen stehen Geographische Informationssysteme zur Verfügung, mit deren Unterstützung sowohl die Analyse der Daten als auch die Darstellung der Ergebnisse in Form von Karten möglich ist. Der Karte kommt für die Vermittlung raumbezogener Informationen in der Versorgungsforschung eine zentrale Rolle zu. Die Stärke von Karten liegt darin, Fachthemen unmittelbar in einen räumlichen Bezug zu stellen und räumliche Unterschiede auf einen Blick sichtbar zu machen. Allerdings stellt eine Karte auch Ansprüche an den Betrachter, der mit den Stärken und Schwächen von Karten vertraut sein sollte, um Fehlinterpretationen zu vermeiden. Ein Beispiel für ein kartenbasiertes Informationssystem ist die Webplattform www.versorgungsatlas.de, auf der ausgewählte Analysen zu Prozessen und Strukturen der medizinischen Versorgung im regionalen Vergleich bereitgestellt werden. Die Themen reichen von Fragestellungen zur Arzneimittelversorgung bis hin zur Darstellung regionaler Versorgungsstrukturen.
Die Berücksichtigung raumbezogener Fragestellungen ist für die Planung gesundheitlicher Versorgung im Konfliktfeld von Bedarf, Angebot, Nachfrage und Finanzierung zwingend notwendig. Aus einem breiten Spektrum qualitativer und quantitativer Methoden können Geographinnen/Geographen an der jeweiligen Fragestellung orientiert die geeigneten auswählen und einsetzen. Damit kann die Geographie einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung leisten.