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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Gruppensprechstunden beim Hausarzt: Neues Versorgungsmodell für chronisch Erkrankte?

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Benedikt Simon - Universität zu Köln / Uniklinik Köln, IGKE, Köln, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocPO5-3-06-23

doi: 10.3205/13dkvf318, urn:nbn:de:0183-13dkvf3181

Published: October 25, 2013

© 2013 Simon.
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Hintergrund: In der hausärztlichen Versorgung zeichnet sich für ländliche Regionen Ostdeutschlands eine Unterversorgung ab. Während die Anzahl der Hausärzte abnimmt, steigt die Anzahl behandlungsintensiver chronisch Erkrankter. Deren Bedürfnissen kann jedoch in der regulären akut Erkrankte ausgelegten 7,8 minütigen hausärztlichen Sprechstunde aus zeitlichen Gründen kaum entsprochen werden. Diese bietet selten Raum, um zu gesundheitserhaltendem Bewegungs- und Ernährungsverhalten anzuleiten, Problemlösungs- und Bewältigungsstrategien zu vermitteln oder sich mit psychosozialen Versorgungsaspekten, wie beispielsweise dem Umgang mit krankheitsbezogenen Ängsten, auseinanderzusetzen.

„Gruppensprechstunden“ (GS) nach dem Modell der Cooperative Health Care Clinic (CHCC) werden in Nordamerika erfolgreich zur Behandlung von Chronikern eingesetzt. An CHCC nehmen dieselben zehn bis zwölf von der gleichen chronischen Erkrankung betroffenen Patienten in zweimonatigen Abständen gemeinsam teil. Im Zentrum der GS steht der vom Arzt moderierte Austausch eigener Krankheitserfahrungen und Bewältigungsstrategien zwischen den Patienten. Die Patienten sollen sich gegenseitig Lösungsstrategien für eigene Herausforderungen im Umgang mit ihrer Erkrankung aufzeigen und zur Veränderung ihrer Lebensgewohnheiten ermutigen.

In der CHCC findet ebenfalls die medizinische Versorgung der klassischen Sprechstunde statt - soweit für das Format der GS geeignet: Ausstellen von Rezepten oder Überweisungen sowie kleine Untersuchungen. So sollen klassische Sprechstunden kompensiert werden.

Methodik: Die vorliegende RCT („Randomisierte kontrollierte klinische Pilotstudie zur Übertragbarkeit des Konzepts der Gruppensprechstunde nach dem Modell der Cooperative Health Care Clinics (CHCCs) auf Deutschland zur hausärztlichen Behandlung von Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 oder Hypertonus“ - DRKS00004346) prüft die Übertragbarkeit der GS nach dem Modell der CHCC auf Deutschland: Acht Hausärzte laden an Diabetes II oder Hypertonie erkrankte Patienten zu GS ein. An den GS nehmen dieselben zwölf Patienten alle zwei Monate teil. Die Ärzte führen je zwei Gruppen, sodass insgesamt 192 Interventionspatienten eingeschlossen sind. Als Kontrollgruppen fungieren 192 klassisch behandelte Patienten - je teilnehmende Praxis 24.

Mithilfe der Pilotstudie soll untersucht werden, ob

1.
chronisch an Diabetes/Hypertonie erkrankte Patienten, die in Gruppensprechstunden behandelt werden, im Vergleich mit Patienten, welche in Einzelsprechstunden behandelt werden,
a. die Höhe der Qualität ihrer Versorgung und
b. ihre Zufriedenheit mit der Versorgung gleich hoch bewerten;
c. gleichhäufig pro Jahr ihren Hausarzt aufsuchen;
2.
Ärzte die Behandlung von chronisch an Diabetes/Hypertonie erkrankten Patienten in Gruppensprechstunden, im Vergleich zur Behandlung in Einzelsprechstunden,
a. die Höhe der Qualität der Versorgung und
b. ihre Zufriedenheit mit der Versorgung gleich hoch bewerten.

Zu Beginn und zum Abschluss der Studie werden die Patienten nach ihrer Zufriedenheit mit der Behandlung sowie nach der Qualität der Behandlung mithilfe des PACIC-5As und des PAID befragt. In qualitativen Interviews werden die Ärzte nach ihrer Einschätzung zur Versorgungsqualität sowie nach ihrer Zufriedenheit mit der Versorgung ihrer Patienten in GS im Vergleich zur Versorgung in Einzelsprechstunden befragt. Zuletzt wird die Gesamtzahl der von Interventions- und Kontrollpatienten wahrgenommen wurden verglichen.

Vor Studienbeginn wurden das Konzept und die verwendeten Materialien in einer Praxis pilotiert.

Ergebnisse: In bisherigen RCTs führten GS zu verbesserten medizinischen Outcomes (z.B. signifikante Senkung des HbA1C/Blutdruck, Steigerung der Patienten- und Arztzufriedenheit, Effizienz und Effektivität in der Versorgung). Systematische Reviews belegen eine gegenseitige psychosoziale Unterstützung durch das Vorleben von selbstbestimmter Krankheitsbewältigung sowie durch den Austausch erfolgreicher Therapieerfahrungen. Patienten motivieren sich in der Gruppe gegenseitig, gesundheitliche Probleme oder Verschlechterungen im Gesundheitszustand zu bewältigen und Behandlungsempfehlungen anzunehmen.

Diskussion/Schlussfolgerung: In einer Pilotpraxis werden GS seit November 2012 erfolgreich für Chroniker eingesetzt. Qualitative Interviews mit Patienten der Pilotpraxis bestätigen die aus dem Ausland bekannte hohe Akzeptanz des Versorgungsmodells: Patienten fühlen sich durch den Austausch von Krankheitserfahrungen und Bewältigungsstrategien mit anderen Patienten unterstützt und weniger isoliert. Therapieempfehlungen von Mitpatienten werden angenommen. Patienten äußerten keine Bedenken bezüglich der Vertraulichkeit ihrer Informationen.

Auf dem Kongress werden das Konzept der CHCC sowie erste Erfahrungen aus Pilot- und Studienpraxen vorgestellt: Im Hinblick auf die bisherigen, vorläufigen Erfahrungen sind GS grundsätzlich auch in Deutschland zur Chroniker-Behandlung einsetzbar.