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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Subjektive Gesundheitseinschätzung gesunder Frauen nach der Geburt eines Kindes

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Rainhild Schäfers - Hochschule für Gesundheit, Bochum, Germany
  • Beate Schücking - Universität Leipzig, Leipzig, Germany
  • Friederike zu Sayn-Wittgenstein - Hochschule Osnabrück, Osnabrück, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocPO4-2-11-280

doi: 10.3205/13dkvf280, urn:nbn:de:0183-13dkvf2802

Published: October 25, 2013

© 2013 Schäfers et al.
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Text

Hintergrund: Die gesundheitsbezogene Lebensqualität (GHLQ) wie auch die subjektiven Gesundheit (SGH) werden in der gesundheitsökonomischen Betrachtung als valide Prädiktoren für die Qualität der gesundheitlichen Versorgung gesehen. Über die subjektiven Gesundheitseinschätzungen von Frauen im geburtshilflichen Kontext ist jedoch nur wenig bekannt. Die Qualität der geburtshilflichen Versorgung wird vielmehr an wenigen Indikatoren gemessen, die sich hauptsächlich auf Struktur der Versorgung oder das Wohlbefinden des Kindes konzentrieren. Bei rund 650 000 Frauen pro Jahr, die ein Kind oder gleich mehrere Kinder gebären, scheint die Fokussierung auf deren subjektive Gesundheitseinschätzung als valider Prädiktor für eine nachhaltige Gesundheit dringend geboten.

Methodik: Retrospektive, longitudinale Kohortenstudie. Basis der Sekundäranalyse bilden Daten von 1029 Erst- und Mehrgebärenden, die im Rahmen einer multizentrisch angelegten, prospektiven Interventionsstudie zum Versorgungskonzept Hebammenkreißsaal an der Hochschule Osnabrück unter Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (FKZ 01 GT 0616) zum Zeitpunkt der Geburt (t0) sowie acht Wochen (t1) und sechs Monate (t2) nach der Geburt erhoben wurden. Die Operationalisierung der GHLQ erfolgte über die standardisierte körperliche und die standardisierte psychische Summenskala des Medical Outcome Study-36 Item Short Form (SF-36). Zur Ermittlung der SGH wurde das 1. Item des SF-36 (SF-1) angewendet. Die Einflussgrößen wurden mittels multivariaten Regressionsanalysen ermittelt. Subgruppenanalysen erfolgten mittels Chiquadratbasierte Unabhängigkeitstests, T-test und Mann-Whitney-U-Test. Im longitudinalen Vergleich fand der Wilcoxon-Test Anwendung.

Ergebnisse: 86,69% (n=892)der Studienteilnehmerinnen erlitten eine Riss-oder Schnittverletzung während der Geburt auf vaginalem Weg oder durch Sectio caesarea. Acht Wochen nach der Geburt gaben 17,9% (n=160) dieser Frauen Beschwerden durch diese Verletzungen an, 19,6% (n=132) der Erstgebärenden und 12,9% (n=28) der Mehrgebärenden. Sechs Monate nach der Geburt waren es 24,6% (n=219) der von Verletzungen betroffenen Frauen, die verletzungsbedingte Beschwerden angegeben haben. 25,3% (n=260) der Studienteilnehmerinnen bewerteten acht Wochen Geburt ihres Kindes ihr Geburtserleben negativ. Erstgebärende tragen gegenüber Mehrgebärenden zu diesem Zeitpunkt das dreifache Risiko eines negativen Geburtserlebens (32,2% vs. 10,5%, RR 3.07, 95% KI [2.18-4.34], p<.001). Sechs Monate nach der Geburt bewerteten 23,8% (n=245) aller Studienteilnehmerinnen die Geburt ihres Kindes negativ, wobei Erstgebärende deutlich stärker betroffen sind (29,0% vs. 12,5%, RR 2.32, 95% KI [1.68-3.18], p<.001). Gut die Hälfte der Studienteilnehmerinnen bewertete ihre SGH zu t1 und t2 besser als gut. Erstgebärende nahmen gegenüber Mehrgebärenden signifikant häufiger diese positive Einschätzung vor (p<.007). Neben einer Reihe von Faktoren, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Geburt stehen, zeigten sich geburtsspezifische Aspekte als signifikante Einflussgrößen. In der Gruppe der Erstgebärenden erhöhte sich bei Vorliegen geburtsverletzungsbedingter Beschwerden die Chance auf eine beeinträchtigte SGH zu t1 signifikant (OR 1.68, 95% KI [1.04-2.71]; p=.035). In der Gruppe der Mehrgebärenden erwies sich ein negatives Geburtserleben zu t2 als signifikante Einflussgröße für eine beeinträchtigte SGH (OR 7.66, 95% KI [2.17-26.99]; p=.002). Hinsichtlich der GHLQ konnten ebenfalls geburtsspezifische Aspekte als Einflussgrößen ermittelt werden. Zu t1 erhöhten in der Gruppe der Erstgebärenden geburtsverletzungsbedingte Beschwerden die Chance auf eine verminderte GHLQ um fast das Dreifache (OR 2.83, 95% KI [1.63-4.93]; p<.001). Ein negatives Geburtserleben verdoppelte die Chance auf eine verminderte GHLQ in dieser Gruppe (OR 2.09, 95% KI [1.19-3.65]; p=.010). In der Gruppe der Mehrgebärenden zeigte sich das negative Geburtserleben ebenfalls als signifikante Einflussgröße (OR 3.93, 95% KI [1.14-13.53]; p=.030). Dies allerdings erst zu t2. Insgesamt konnten in einzelnen Subskalen des SF-36 signifikante Abweichungen zwischen der landes-, alters- und geschlechtsspezifischen Normstichprobe und dem Studiensample festgestellt werden.

Diskussion/Schlussfolgerung: Geburtsverletzungsbedingte Beschwerden und ein negatives Geburtserleben beeinflussen die SGH und GHLQ nachhaltig. Mit dem Anspruch einer qualitativ hochwertigen geburtshilflichen Versorgung gilt es die subjektiven Gesundheitseinschätzungen von Frauen nach der Geburt eines Kindes standardisiert zu evaluieren. Um Ceiling-effekte zu vermeiden müssen die in anderen Bereichen bisher üblichen Erhebungsverfahren für den geburtshilflichen Kontext modifiziert werden