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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Auswirkungen von Epidemien auf die ambulante vertragsärztliche Versorgung am Beispiel der EHEC-Epidemie 2011

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Amelie Rouche - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, Berlin, Germany
  • presenting/speaker Michael Erhart - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, Berlin, Germany
  • Dominik von Stillfried - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, Berlin, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocPO3-4-06-231

doi: 10.3205/13dkvf255, urn:nbn:de:0183-13dkvf2551

Published: October 25, 2013

© 2013 Rouche et al.
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Text

Hintergrund: Epidemien wie z.B. die EHEC-Epidemie 2011 führen zu einer spürbaren Mehr-Inanspruchnahme vertragsärztlicher Versorgung, die bis jetzt nicht vollständig quantifiziert werden kann. Verantwortlich hierfür ist nicht nur die Versorgung unmittelbar betroffener Patienten. Im Falle von EHEC mussten vermehrt Angehörige aufgeklärt werden. Bei verunsicherten Patienten mit "üblichen" Darmerkrankungen ergab sich erhöhter Beratungs- und Aufklärungsbedarf sowie Abklärungsdiagnostik und Behandlungsbedarfe bei so "zusätzlich zum normalen Volumen" entdeckten (z.T. meldepflichtigen) Darmkeimen und Darmerkrankungen.

Ziel dieser Arbeit ist die Quantifizierung der erhöhten Inanspruchnahme und des Mehraufwands, die mit der EHEC/HUS Epidemie 2011 in der ambulanten Versorgung assoziiert waren.

Methodik: Die vertragsärztlichen Abrechnungsdaten 2008-2011 aller gesetzlich Krankenversicherten, die einen über das KV-System abrechnenden Arzt in Anspruch nehmen, wurden analysiert. Regressionsanalytisch ermittelt wurde der mit einem EHEC-, HUS- und symptom-ähnlichen meldepflichtigen Krankheitsfall assoziierte Mehraufwand auf individueller Ebene. Analysiert wurden auch Verdachtsfälle. Regressionsanalytisch berücksichtigt wurden Alter, Geschlecht und allgemeine Morbidität (Schritt 1).

In einer Zeitreihen-Analyse der RKI-SurvStat Datenbank der meldepflichtigen Darmerkrankungen von 2000 bis 2010 wurden die - unter Berücksichtigung saisonaler Muster - zu erwartenden Inzidenzen von EHEC-, HUS- und symptomähnlichen Darmerkrankungen mit den tatsächlichen Inzidenzen der Epidemie-Zeit (Mai-August 2011) verglichen (Schritt 2).

Bevor die Abrechnungsdaten des Jahres 2011 vorlagen wurde der in Schritt 1 (an den historischen EHEC (n=3.000)- und HUS- Fällen (n=177)) ermittelte Mehraufwand auf die in Schritt 2 ermittelten "zusätzlichen" Fälle für 2011 hochgerechnet und so der zu erwartende Mehraufwand quantifiziert (Schritt 3).

Mit Vorliegen der Abrechnungsdaten 2011 wurden die tatsächlichen Mehraufwände mit den in Schritt 3 geschätzten verglichen.

Ergebnisse: Während der Epidemie von 2011 waren nicht nur für EHEC (+ 1354%) und HUS (+ 4358%) erhöhte Fallzahlen zu beobachten, sondern auch für viele meldepflichtige Darmkeime (Salmonellose (+ 51%), Campylobacter (+ 27%), E.-coli-Enteritis (+ 70%), Shigellose (+47%) und Yersiniose (+39%). Die Zeitreihen-Analyse zeigt, dass insgesamt 30% mehr Fälle als erwartet beobachtet wurden. Die Fallzahlen sind überall höher als erwartet, nicht nur in den von der Epidemie betroffenen Regionen.

Der (in Schritt 3) geschätzte Mehraufwand bei EHEC und HUS beläuft sich auf 8.5 Millionen Euro und bei meldepflichtigen Darmerkrankungen 1.0 Millionen Euro. Davon entfallen alleine knapp 5 Millionen Euro auf die am stärksten betroffenen Regionen (Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen. Hierzu kommen die durch "zusätzlichen" nicht-meldepflichtigen Behandlungsbedarf und durch ein generell höheres Versorgungsaufkommen (Beratung, Abklärungsdiagnostik von Angehörigen und Verunsicherten) verursachter Behandlungsbedarf. Diese Zahlen werden - ebenso wie die in Schritt 4 ermittelten tatsächlichen Werte - in der Konferenz berichtet.

Diskussion/Schlussfolgerung: Der Mehraufwand einer Epidemie ist wesentlich höher als die gesteigerten EHEC/HUS-Fallzahlen vermuten lassen, da auch die Verdachtsfälle steigen, die nicht zu einer Diagnose von EHEC/HUS führen (inkl. symptom-ähnliche Krankheiten). Die hier entwickelte Methodik zur prospektiven Voraussage des Mehraufwandes und zur Berücksichtigung "systemischer", bzw. "kollateraler" Versorgungs-Mehraufwendungen könnte in zukünftigen Bedarfsplanung und Honorarverhandlungen verwendet werden.