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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Optimierung der Antibiotikaverordnung in der zahnärztlichen Primärmedizin – Modellierung einer komplexen Intervention

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Femke Böhmer - Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Rostock, Germany
  • Christin Löffler - Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Rostock, Rostock, Germany
  • Anne Hornung - Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Rostock, Rostock, Germany
  • Andreas Podbielski - Institut für Med. Mikrobiologie, Virologie und Hygiene, Rostock, Germany
  • Hermann Lang - Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Rostock, Germany
  • Attila Altiner - Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Rostock, Rostock, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocPO3-4-05-303

doi: 10.3205/13dkvf254, urn:nbn:de:0183-13dkvf2545

Published: October 25, 2013

© 2013 Böhmer et al.
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Text

Hintergrund: Die Verordnung von Antibiotika stellt Zahnärzte vor komplexe Entscheidungen. So sind Indikation, Wahl des Arzneistoffes und Behandlungsdauer nicht immer klar definiert. Aus der Allgemeinmedizin ist bekannt, dass Verordnungen nicht nur von wissenschaftlichen Aspekten beeinflusst werden, sondern auch von Erfahrungen und Konzepten im Umgang mit Antibiotika. Im Rahmen einer cluster-randomisierten kontrollierten Studie soll untersucht werden, inwieweit eine komplexe Intervention dazu beitragen kann, die unnötige Verordnung von Antibiotika in der zahnärztlichen Primärmedizin zu reduzieren. Zur Modellierung der Intervention wurde im Vorfeld eine qualitative Studie durchgeführt.

Methodik: Es wurden 9 qualitative Interviews und 2 Fokusgruppendiskussionen mit 9 weiteren Zahnärzten geführt. Die Gespräche wurden aufgezeichnet, vollständig transkribiert und auf Basis der Grounded Theory codiert und analysiert.

Ergebnisse: Aus dem qualitativen Datenmaterial wird deutlich, dass eine Intervention insbesondere an folgenden Punkten ansetzen kann, um die Verordnung unnötiger Antibiotika positiv zu beeinflussen: Erstens zeigt sich, dass Zahnärzte gängige Leitlinien zur Indikation der Verordnung von Antibiotika insbesondere bei chronisch kranken und multimorbiden Patienten als wenig hilfreich wahrnehmen. Oftmals erscheinen ihnen diese nicht eindeutig formuliert. Die Vermittlung neuester Erkenntnisse auf dem Gebiet der zahnmedizinischen Antibiotikaverordnung ist damit zentraler Bestandteil der entwickelten Intervention. Um insbesondere das Erfordernis einer Antibiotikagabe bei Patienten mit Herzerkrankungen besser einschätzen zu können, soll der Austausch zwischen Zahnarzt und Hausarzt im Rahmen der Intervention optimiert werden. Zweitens zeigt die Analyse der Gespräche, dass Zahnärzte Unsicherheiten empfinden, wenn eine Initialtherapie versagt oder eine Standardtherapie nicht durchführbar ist. Es wird beispielsweise berichtet, dass eine adäquate Verlaufskontrolle bei kritischen Indikationen wie etwa Abszessen, odontogenen Infektionen oder erschwerten Zahndurchbrüchen insbesondere im Notdienst nicht gewährleistet werden kann und daher in einigen Fällen zu einer Verlegenheitsverordnung führt. Hinzu kommt, dass Zahnärzte berichten, insbesondere vor Urlaubszeiten eher ein Antibiotikum zu verordnen. Mangelnde Zeit für eine adäquate Therapie wird hier als hauptsächlicher Beweggrund genannt. Gleichzeitig nehmen die interviewten Hausärzte aber auch den Leidensdruck ihrer Patienten wahr, die eine rasche Besserung ihres Gesundheitszustands wünschen. Ein eigens für diese Situationen konzipierter und aufgenommener Kurzfilm mit Beispielen guter und schlechter zahnärztlicher Kommunikation soll hier im Rahmen der Intervention eingesetzt und diskutiert werden. Konzepte zur Lösung unterschiedlicher Therapieerwartungen von Arzt und Patient werden angeboten. Drittens schätzen sich die meisten interviewten Zahnärzte in Bezug auf die Verordnung von Anbtibiotika als Niedrig-Verordner ein und vermuten fast einheitlich, dass Kollegen häufiger Antibiotika verschreiben. Um ein realistisches Abbild der eigenen Therapiegewohnheiten zu erlangen, soll den Zahnärzten der Interventionsgruppe nach Abschluß der Baseline Erhebung ein Verordnungsfeedback mit Benchmarking gegeben werden.

Diskussion/Schlussfolgerung: Das qualitative Material zeigt Potenziale für die Optimierung von Antibiotikaverordnungen in der Zahnmedizin auf. Die cluster-randomisierte kontrollierte Studie wird zeigen, ob die entwickelte Intervention auf Basis dieser Erkenntnisse dazu beitragen kann, die Verordnungszahlen zu senken.