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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Angebote der grenzüberschreitenden reproduktionsmedizinischen Versorgung: Eine quantitative Untersuchung am Beispiel Deutschlands und Spaniens

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Jana Lohmann - Universität Bayreuth (IMG), Bayreuth, Germany
  • presenting/speaker Mirjam Thanner - Universität Bayreuth (IMG), Bayreuth, Germany
  • Klaus Nagels - Universität Bayreuth (IMG), Bayreuth, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocPO2-4-08-34

doi: 10.3205/13dkvf218, urn:nbn:de:0183-13dkvf2186

Published: October 25, 2013

© 2013 Lohmann et al.
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Hintergrund: Die grenzüberschreitende Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Behandlungen (cross-border reproductive care, CBRC, reproduktives Reisen) ist ein global auftretendes Phänomen. Die Gründe, sich für die assistierte Reproduktion im Ausland zu entscheiden, sind vielfältig; als bedeutend werden das gesetzliche Verbot bestimmter Behandlungsmethoden (z. B. morphologische Untersuchungen und Kryokonservierung von Embryonen sowie die Eizellspende) oder restriktive Zugangsregeln (bezüglich Alter, Familienstand oder sexueller Orientierung) im eigenen Land angesehen. Im Gegensatz zur deutschen Gesetzeslage gilt im Bereich der Reproduktionsmedizin die spanische als sehr liberal innerhalb Europas. Um sich über Fertilitätsbehandlungen zu informieren, nutzen Interessierte neben der Kontaktaufnahme mit Patientenorganisationen v.a. das Internet. Diesem Kommunikationsmedium kommt besonders große Bedeutung zu, da es Ärzten in Deutschland untersagt ist, Patienten über ausländische Kliniken zu informieren, welche nach deutscher Gesetzgebung verbotene Praktiken anbieten.

Über das Ausmaß des Angebots reproduktionsmedizinischer Behandlungen spanischer Kliniken für deutsche Nachfrager liegen nur wenige Daten vor. Bei Studien mittels schriftlicher Befragung von Vertretern ausländischer Kliniken zeigten sich zudem äußerst geringe Rücklaufquoten. Umso bedeutsamer erscheint es daher, sich dem Untersuchungsgegenstand unter Anwendung vielfältiger Methoden zu nähern.

Methodik: Um das Ausmaß an grenzüberschreitenden reproduktionsmedizinischen Angeboten in Spanien für internationale, insbesondere deutschsprachige Nachfrager einschätzen zu können, wurden die Homepages spanischer Fertilitätskliniken hinsichtlich der Sprachoptionen Englisch bzw. Deutsch analysiert. Weil ausländische Patienten Fertilitätsbehandlungen nicht in öffentlichen Krankenhäusern Spaniens durchführen lassen können, beschränkte sich die Untersuchung ausschließlich auf die Homepages von Privatkliniken.

Zunächst wurden mittels dreier Listen Fertilitätskliniken in Spanien und deren Internetadressen ausfindig gemacht. Grundlage dafür bildete das nationale Register der spanischen Gesellschaft für Fertilität (Sociedad Española de Fertilidad, SEF). Ergänzt wurde die Liste durch die Informationen zweier allgemein zugänglicher Internetseiten, wovon sich eine an die Zielgruppe spanischer Patienten, die andere an internationales Publikum sowie an Fachpersonen richtete.

Im Januar 2013 wurden auf diese Weise die Homepages von 206 Kliniken hinsichtlich der Auswahlmöglichkeit der Sprachoptionen Englisch bzw. Deutsch überprüft. Zusätzlich wurde vermerkt, ob es sich um ein ausschließliches Zentrum für Reproduktionsmedizin (maximal zwei weitere Fachabteilungen) oder ein Krankenhaus im umfassenderen Sinn mit mehr als zwei weiteren Fachabteilungen handelte.

Ergebnisse: Von den insgesamt 206 analysierten Klinikseiten stellten 134 (65%) eine englischsprachige und 67 (33%) eine deutschsprachige Homepage zur Verfügung. 160 (78%) der 206 Homepages gehörten zu jeweils ausschließlichen Zentren für Reproduktionsmedizin, 46 (22%) wurden von Krankenhäusern unterhalten, die neben der reproduktionsmedizinischen Abteilung noch über mindestens drei andere Fachabteilungen verfügten.

Während bei den Internetseiten der ausschließlichen Zentren für Reproduktionsmedizin 102 (64%) der Kliniken die Sprachoption Englisch und 62 (39%) die Sprachoption Deutsch anboten, waren es im Fall der Internetseiten von Krankenhäusern mit mindestens drei weiteren Fachabteilungen 32 (70%) bzw. 5 (11%).

Diskussion/Schlussfolgerung: Die Untersuchung zeigte, dass sich ein Drittel der untersuchten spanischen Fertilitätskliniken mit ihren Angeboten gezielt an deutschsprachiges Publikum wendet; bei den Zentren, welche sich ausschließlich auf reproduktionsmedizinische Behandlungen spezialisiert haben, lag der Anteil sogar noch höher.

Die vorliegende Arbeit stützte sich auf die Analyse der allgemein zugänglichen Internetseiten spanischer Fertilitätskliniken. Je nach verfügbarer Sprachoption wurden Rückschlüsse auf die Herkunft des Patientengutes gezogen. Da die Erstellung und Erhaltung einer Homepage mit hohen Kosten verbunden ist, spricht der Befund dafür, dass aus Sicht deutschsprachiger Nachfrager ein Bedarf an grenzüberschreitender reproduktionsmedizinischer Versorgung besteht, der in Spanien gedeckt wird.

Das Ergebnis unterstreicht die Forderung, sowohl die gesetzlichen Verbote bestimmter Behandlungsmethoden als auch den Zugang zur reproduktionsmedizinischen Versorgung im Inland regelmäßig mittels demokratischer Verfahren zu überprüfen. Diese politische Auseinandersetzung zu scheuen, kann u.a. deswegen nicht befriedigen, da reproduktives Reisen kostenträchtig ist und diesbezüglich keinerlei (finanzielle) Unterstützung für ökonomisch schwache Nachfrager besteht.