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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Gibt es bei Patientinnen und Patienten mit Persönlichkeitsstörungen einen Zusammenhang zwischen Selbstmanagementfähigkeiten und der Menge an therapeutischen Vorerfahrungen?

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Carmen Uhlmann - ZfP Südwürttemberg, Ravensburg, Germany
  • Oliver Boscher - ZfP Südwürttemberg, Ravensburg, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocPO2-4-01-252

doi: 10.3205/13dkvf211, urn:nbn:de:0183-13dkvf2111

Published: October 25, 2013

© 2013 Uhlmann et al.
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Hintergrund: Patientinnen und Patienten mit Persönlichkeitsstörungen und akuten Krisen haben meist eine längere Vorgeschichte von Therapieversuchen und auch -abbrüchen. Allgemeine Befunde zum Zusammenhang von Vorerfahrungen mit Behandlungen und therapeutischem Erfolg weisen inkonsistente Ergebnisse auf. Auch bei Patientinnen und Patienten mit Persönlichkeitsstörungen in akuten Krisen ergaben sich bisher keine eindeutigen Hinweise auf den Einfluss von Vorerfahrungen auf zukünftige therapeutische Versuche. Im Sinne allgemeiner Wirksamkeitsfaktoren von Psychotherapie sollten vor allem auch individuelle Persönlichkeitsmerkmale und soziale Faktoren für den Erfolg einer Behandlung eine Rolle spielen. Inwiefern bisherige Therapieversuche bei dieser Gruppe mit Selbstmanagementfähigkeiten in Zusammenhang stehen wurde bislang nicht untersucht. Patientinnen und Patienten mit Persönlichkeitsstörungen mit Aufnahme in der Erwachsenenpsychiatrie nach akuter Krise wie Suizidversuch oder akute Suizidalität, selbstverletzendem Verhalten oder fremdaggressiven Durchbrüchen sollten zu diesem Thema befragt werden. Die therapeutischen Vorerfahrungen der letzten 5 Jahre wurden in einer retrospektiven explorativen Studie erfasst und mit gesundheitsrelevanten Ressourcen und Selbstmanagementfähigkeiten in Zusammenhang gesetzt. Genauere Kenntnisse dieser Zusammenhänge verbessern therapeutische Strategien bei dieser Gruppe von Patientinnen und Patienten im akutpsychiatrischen Setting.

Methodik: 45 Patientinnen und Patienten mit Aufnahme in die Akutpsychiatrie wurden auf freiwilliger Basis nach positivem Votum der Ethikkommission retrospektiv untersucht. Eingeschlossen wurden Patientinnen und Patienten nach akuter Krise mit einer Persönlichkeitsstörung und Anpassungsstörung. Messinstrumente beinhalteten neben der Erhebung von Vorbehandlungen aller Art in den letzten 5 Jahren, die Erfassung von Selbstmanagementfähigkeiten und Ressourcen sowie die Erfassung der psychischen Symptomatik. Als Messzeitpunkt wurde die erste Woche nach Aufnahme gewählt.

Zur Erfassung der therapeutischen Vorerfahrungen wurde ein Fragebogen entwickelt. Die psychische Symptomatik wurde mit dem SCL 90-R erhoben, die Selbstmanagementfähigkeiten mittels FERUS (Fragebogen zur Erfassung von Ressourcen und Selbstmanagementfähigkeiten). Für die statistischen Analysen zur Ermittlung der Zusammenhänge zwischen den drei Variablengruppen (Vorerfahrungen, Schwere der psychischen Symptomatik und Selbstmanagementfähigkeiten) wurden Korrelationen nach Pearson sowie Partialkorrelationen durchgeführt.

Ergebnisse: Folgende Ergebnisse erzielten die Befragten im FERUS im Vergleich zur gesunden Normpopulation: Veränderungsmotivation: im auffällig positiven T-Werte-Bereich lagen 41 Befragte, nur 4 lagen innerhalb der Norm. Soziale Unterstützung: 28 Befragte lagen im auffällig niedrigen Wertebereich. Coping: 33 Befragte im auffällig niedrigen Wertebereich. Selbstbeobachtung: 12 Befragte im auffällig niedrigen Wertebereich. Selbstwirksamkeit: 36 Befragte im auffällig niedrigen Wertebereich <40. Selbstverbalisation: 25 Befragte im auffällig niedrigen Wertebereich. Hoffnung: 25 Befragte im auffällig niedrigen Wertebereich.

Die negative Korrelation zwischen der Häufigkeit an Vorerfahrungen und den Selbstmanagementfähigkeiten wurde signifikant (r=-.55, p<.05, n=45), ebenso der negative Zusammenhang mit sozialer Unterstützung (r=-.42, p<.05, n=45). Zur Veränderungsmotivation ergab sich kein signifikanter Zusammenhang (r=.1, n=45). Es hatte sich bereits gezeigt, dass ein signifikanter Zusammenhang besteht zwischen der Schwere der psychischen Symptomatik bei Aufnahme und der Häufigkeit der Vorerfahrungen, auch innerhalb des gleichen Berechnungszeitraumes von 5 Jahren. Daher wurden Partialkorrelationen unter Kontrolle der Symptomschwere berechnet. Auch hier blieb ein signifikanter negativer Zusammenhang zwischen Selbstmanagementfähigkeiten und therapeutischen Vorerfahrungen erhalten (r=-.40, p<.05, n=37). Weitere Signifikanzen ergaben sich nicht.

Diskussion/Schlussfolgerung: Die Selbstmanagementfähigkeiten lagen bei der Gruppe der Befragten häufig im auffällig niedrigen Bereich, ebenso die soziale Unterstützung. Die Veränderungsmotivation war fast durchgehend überdurchschnittlich. Die sehr geringen gesundheitsrelevanten Ressourcen stehen dabei im Gegensatz zur auffällig hohen Veränderungsmotivation.

Es wurde ein deutlicher negativer Zusammenhang zwischen den Selbstmanagementfähigkeiten und der Häufigkeit von therapeutischen Vorerfahrungen gefunden, der auch nach Kontrolle der Einflussvariable Symptomschwere bestand hatte. Therapeutische Fortschritte sind damit stark mit den individuellen Fähigkeiten des Selbstmanagementes gekppelt. Die Förderung dieser Ressourcen sollte daher in der psychotherapeutischen Behandlung einen Schwerpunkt bilden.