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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Gehen Kinder mit Migrationshintergrund eher zum Kinderarzt? Inanspruchnahme von Kinderärzten bei Schülern der 3. und 4. Klassen

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Ulrike Zier - Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Germany
  • Heiko Rüger - Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Germany
  • Daniel Spahn - Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Germany
  • Eva Münster - Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocPO2-3-07-162

doi: 10.3205/13dkvf207, urn:nbn:de:0183-13dkvf2078

Published: October 25, 2013

© 2013 Zier et al.
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Hintergrund: Kinder und Jugendliche werden in Deutschland vor allem von Kinderärzten und Allgemeinärzten ambulant versorgt. Nach Ergebnissen der KiGGS-Studie suchten 60% derjenigen Kinder und Jugendlichen zwischen 0 und 17 Jahren, die in den vergangenen 12 Monaten beim niedergelassenen Arzt waren, einen Kinderarzt und 36% einen Hausarzt auf. Besonders hoch war der Anteil der Kinder, die einen Kinderarzt aufsuchten, unter Migranten (63,6% vs. 58,9%). Vor dem Hintergrund, dass Studien auf eine verminderte Teilnahme von Migranten an Vorsorgeuntersuchungen für Kinder hinweisen, ist dieses Ergebnis eher unerwartet und wurde bisher nicht durch andere Studien bestätigt. Mit einer Befragung an Dritt- und Viertklässlern soll untersucht werden, ob sich dieser Zusammenhang in einem anderen Kollektiv bestätigen lässt.

Methodik: An 49 zufällig ausgewählten Grundschulen (kontaktiert: n=280) des Regierungsbezirks Darmstadt wurde 2010/11 eine durch die Deutsche Krebshilfe finanzierte, schriftliche Querschnittsbefragung an Dritt- und Viertklässlern durchgeführt. Datenschutzbeauftragter, Ethikkommission, Kultusministerium, Grundschulen, Erziehungsberechtigte sowie befragte Kinder bewilligten die Studie bzw. die Teilnahme schriftlich. Das zielgruppenspezifische Erhebungsinstrument umfasste 65 geschlossene Fragen zu Arztkontakten, Migrationskontext, Risikoverhalten im Bereich Alkohol- und Tabakkonsum und sozialem Kontext. Bi- und multivariate Analysen zum in Anspruch genommenen Arzt (Ausprägungen: "Kinderarzt", "Arzt der Eltern", "weiß nicht") wurden durchgeführt. Fälle ohne Angabe oder mit der Angabe "weiß nicht" auf der Zielgröße wurden ausgeschlossen. Fehlende Werte (<3% der Gesamtstichprobe) bei den übrigen Variablen wurden der jeweiligen Referenzkategorie zugeschlagen. Bivariate Gruppenunterschiede wurden mittels Chi²-Test untersucht. Als Einflussfaktoren im multivariaten Modell wurden neben Migrationserfahrung der Eltern, gesprochenen Sprachen im Haushalt auch Geschlecht, Alter, Klassenstufe, Vorhandensein älterer Geschwister, Taschengeld, elterliche Kontrolle, Kindergartenbesuch, Erfahrungen im Alkoholkonsum und Erfolg in der Schule einbezogen. Adjustierte Odds Ratios (aOR) und 95%-Konfidenzintervalle (95%-KI) wurden mittels binär-logistischer Regressionsanalyse (Rückwärtsselektion) kalkuliert.

Ergebnisse: Insgesamt konnten von 1806 Grundschulkindern der 3. (n= 786) und 4. Klassen (n=1020) Fragebogenangaben untersucht werden. Mädchen (n=927) und Jungen (n=879) waren etwa gleich stark vertreten. Der Altersdurchschnitt lag bei 9,44 ±0,73 Jahren. Aus der Analyse wurden Angaben von 313 Kindern ohne interpretierbare Antwort auf die Frage zum besuchten Arzt ausgeschlossen. Von den verbleibenden 1514 Kindern gaben 223 (14,8%) an, nicht zum Kinderarzt zu gehen, während 1291 Kinder (85,2%) angaben, zum Kinderarzt zu gehen. Die bivariaten Analysen ergeben, dass Kinder, deren beide Elternteile in Deutschland geboren wurden, seltener zum Kinderarzt gehen (82,8%), als wenn ein (87,2%) oder beide Elternteile im Ausland geboren wurden (92,5%; p ≤ 0,001). Dies gilt auch tendenziell für Kinder in Haushalten, in denen nur Deutsch gesprochen wird (83,7 % vs. 88,7%; p=0,12). Im multivariaten Endmodell (Nagelkerkes R²=0,052; Kinderarzt aufgesucht: 0, Nicht-Kinderarzt aufgesucht: 1) bleiben die Variablen Migrationserfahrung der Eltern (beide Eltern im Ausland geboren: aOR=0,4; 95%-KI: 0,2-0,6), Geschlecht (Mädchen: aOR=0,7; 95%-KI: 0,5-0,9), ältere Geschwister vorhanden (aOR=0,7, 95%-KI: 0,5-0,9) sowie Erfahrungen im Alkoholkonsum (aOR=0,7; 95%-KI:0,5-0,9) relevant.

Diskussion/Schlussfolgerung: Jedes siebte der befragten Kinder gab an, nicht zum Kinderarzt zu gehen. Dabei konnte die erhöhte Bereitschaft, den Kinderarzt aufzusuchen, bei Kindern von Eltern, die im Ausland geboren wurden, bestätigt werden. Dies spricht für eine hohe Akzeptanz des Kinderarztes bei Migranten. Die eher geringe Erklärungskraft des Modells kann auf eine bisher nicht ausreichende Berücksichtigung von sozioökonomischen Faktoren zurückzuführen sein oder auf weitere, bisher unbekannte Faktoren hindeuten.