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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Trends in der Verordnung von Neuroleptika bei Kinder und Jugendlichen über die Jahre 2005 bis 2012

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Falk Hoffmann - Universität Bremen, Bremen, Germany
  • Gerd Glaeske - Universität Bremen, Bremen, Germany
  • Christian Bachmann - Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Marburg, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocPO2-2-06-173

doi: 10.3205/13dkvf198, urn:nbn:de:0183-13dkvf1986

Published: October 25, 2013

© 2013 Hoffmann et al.
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Hintergrund: Trotz schmaler Studienlage zur Wirksamkeit bzw. zum Nutzen-Schaden-Profil von Neuroleptika bei Kindern und Jugendlichen, zeigen internationale Untersuchungen für diese Altersgruppe einen deutlichen Zuwachs der Verschreibungen über die letzten Jahre [1], [2]. Auch eine deutsche Arbeit mit Daten der AOK Hessen über den Zeitraum 2000-2006 bestätigt diesen Trend [3]. Alle Studien deuten darauf hin, dass der Anstieg ganz überwiegend durch vermehrte Verordnungen der vergleichsweise neueren atypischen Neuroleptika ("second generation antipsychotics"; SGA) und weniger durch die typischen Neuroleptika ("first generation antipsychotics"; FGA) bedingt ist.

Ziel dieser Studie ist, die Verordnungshäufigkeit von Neuroleptika bei Kindern und Jugendlichen über einen Zeitraum von 8 Jahren in einer großen Population zu untersuchen.

Methodik: Aus Versichertendaten der BARMER GEK wurden für die Jahre 2005-2012 jeweils die Versicherten im Alter von 0-19 Jahren ausgewählt, die in jedem Quartal des entsprechenden Jahres mindestens einen Tag versichert waren. Dies entsprach je Jahr zwischen 1,4-1,6 Mio. Kindern und Jugendlichen. Die Verordnungen von Neuroleptika wurden über den anatomisch-therapeutisch-chemischen (ATC)-Code N05A selektiert, wobei Lithium (ATC-Code: N05AN01) ausgeschlossen wurde. Die Unterteilung in SGA erfolgte in Anlehnung an Kalverdijk et al. [2]. Untersucht wurde die Verschreibungsprävalenz in den jeweiligen Jahren.

Ergebnisse: Im Zeitraum von 2005 bis 2012 zeigte sich ein Anstieg der Verschreibungsprävalenz bei Kindern und Jugendlichen von 0,23% auf 0,32% (+41%). Differenziert man bei den Verordnungen zwischen FGA und SGA, so ergibt sich für Verordnungen von FGA eine leichte Abnahme von 0,14% auf 0,12%, für SGA hingegen eine deutliche Zunahme von 0,10% auf 0,24% (+129%).

Eine altersspezifische Betrachtung zeigt einen Anstieg der Verschreibungsprävalenz mit zunehmendem Alter. Während in der jüngsten Altersgruppe (0-4 Jahre) von 2005 bis 2012 der Anteil mit Verordnung von 0,15% auf 0,01% absinkt, ist in allen anderen Altersgruppen eine Zunahme der Verschreibungen zu beobachten. Am stärksten ausgeprägt ist diese Tendenz in der Altersgruppe der 10- bis 14-Jährigen (von 0,24% auf 0,43%) sowie bei den 15- bis 19-Jährigen (2005: 0,34%, 2012: 0,54%).

Neuroleptika werden häufiger an Jungen als an Mädchen verordnet. Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede finden sich in allen Jahren. Die am häufigsten verordneten Substanzen waren Risperidon, Pipamperon, Tiaprid und (mit Ausnahme des Jahres 2005) Quetiapin.

Diskussion/Schlussfolgerung: Neuroleptika werden in den vergangenen Jahren in Deutschland für Kinder und Jugendliche häufiger verordnet. Wenngleich dieser Anstieg noch keine Dimensionen wie in den USA erreicht hat, ist dieser Trend angesichts teils gravierender unerwünschter Wirkungen (z.B. Gewichtszunahme, extrapyramidale Bewegungsstörungen, hormonelle Störungen) und fehlender Langzeitdaten zu den neueren SGA ausgesprochen bedenklich.


Literatur

1.
Olfson M, Blanco C, Liu SM, Wang S, Correll CU. National Trends in the Office-Based Treatment of Children, Adolescents, and Adults With Antipsychotics. Archives of General Psychiatry. 2012;69(12):1247-56.
2.
Kalverdijk LJ, Tobi H, van den Berg PB, Buiskool J, Wagenaar L, Minderaa RB, de Jong-van den Berg LT. Use of antipsychotic drugs among Dutch youths between 1997 and 2005. Psychiatric Services. 2008;59(5):554-60.
3.
Schubert I, Lehmkuhl G. Increased antipsychotic prescribing to youths in Germany. Psychiatric Services. 2009;60(2):269.
4.
Bachmann C, Hoffmann F. Ambulante Verordnungen von Antipsychotika bei Kindern und Jugendlichen. In: Glaeske G, Schicktanz C, Hrsg. BARMER GEK Arzneimittelreport 2013. St. Augustin: Asgard; 2013.