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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Multimodale patientenzentrierte Intervention bei seltenen Erkrankungen: Möglichkeiten und Grenzen der Evaluation am Beispiel von drei Interventionsprogrammen bei Mukoviszidose

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Andreas L.G. Reimann - Mukoviszidose Institut gGmbH, Bonn, Germany
  • Nadja Niemann - Zentrum für Qualität und Management im Gesundheitswesen, Hannover, Germany
  • Jochen G. Mainz - Klinik Kinder u. Jugendmedizin, Universitätsklinikum Jena, Jena, Germany
  • Winfried Klümpen - Mukoviszidose e.V., Bonn, Germany
  • Brigitte Sens - Zentrum für Qualität und Management im Gesundheitswesen, Hannover, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocPO1-1-11-304

doi: 10.3205/13dkvf169, urn:nbn:de:0183-13dkvf1698

Published: October 25, 2013

© 2013 Reimann et al.
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Hintergrund: Mukoviszidose (Zystische Fibrose, CF, Prävalenz in Deutschland: ca.8-9.000) ist eine monogenetische lebenslimitierende Multiorganerkrankung bei der die Bildung zähflüssigen Sekrets zu irreversiblen Schädigungen wichtiger Organsysteme, insbesondere der Lunge und der Bauchspeicheldrüse führt. Ca. 80% der Patienten werden durch ein bundesweites Patientenregister mit Verlaufsbeobachtung erfasst. Das mittlere Überleben liegt bei ca. 40 Jahren, ca. 50% der Patienten sind 18 Jahre oder älter. Die Behandlung erfolgt überwiegend ambulant an KH-Einrichtungen. Ca. 2/3 der adulten Patienten werden noch in pädiatrischen Einrichtungen betreut. Neben der Transition stellen die Koordination des multidisziplinären und -professionellen Behandlungsansatzes aus ärztlicher Behandlung, Physiotherapie, Ernährungsberatung, psychologischer Intervention sowie psychosozialer und sportwissenschaftlicher Beratung sowie das intersektorale Schnittstellenmanagement wesentliche Probleme dar. Dies ist typisch für das Management seltener Erkrankungen mit früher Manifestation. Aufgrund der guten strukturellen Voraussetzungen eignet sich CF zur Erprobung innovativer Versorgungskonzepte.

Methodik: In drei von einander unabhängigen, jedoch aufeinander abgestimmten Programmen, Offensive, muko.fit und VEMSE-CF, wurden/werden der Einfluss eines multimodalen Interventionsprogramms auf die Prozess- und Ergebnisqualität untersucht und verschiedene Modelle der Steuerung und der Evaluation erprobt. Offensive: Prospektive nicht kontrollierte Intervention über 4 Jahre (2008-2012) bei 83 Patienten im Alter von 6-18 Jahren mit problematischer Lungenfunktion (FEV-1< 80% über mindestens 3 Jahre). Steuerung über individuelle multimodale Projektpläne im PDCA-Zyklus mit potentiellen ärztlichen, physiotherapeutischen, psychosozialen, psychologischen, diätetischen und sportwissenschaftlichen Maßnahmen. Die Implementierung wurde zentral unterstützt. Die Interventionspopulation wurde mit einer post-hoc gebildeten Vergleichskohorte verglichen. muko.fit: Fortsetzung des Offensive-Programms mit modifizierten Maßnahmenplänen und Steuerungsmechanismen als nichtkontrollierte prospektive Intervention bei Patienten mit besonderen medizinischen oder psychosozialen Problemlagen und schlechter Prognose ohne Altersbegrenzung. Zur Zeit sind 31 Patienten (2 - 29 Jahre) eingeschlossen, das Programm hat 2012 begonnen. VEMSE-CF: Kontrollierte prospektive Versorgungsforschungsstudie an 151 Interventionspatienten (ab 6 Jahren) und 300 matched-pair Kontrollen mit zweijähriger individueller Beobachtungszeit in einem cluster-randomisierten Setting. Die multimodale Intervention basiert auf Individuellen Behandlungsvereinbarungen (IBV) zwischen Patient und Einrichtung und kann die o.g. Komponenten umfassen. Die Implementierung wird durch ein externes Case-Management unterstützt. Primäres Zielkriterium ist die Verbesserung der Prozessqualität gemessen an der aggregierten Häufigkeit von BMI und Lungenfunktionsmessung. Sekundäre Zielkriterien umfassen Parameter der Mortalität, Morbidität und Lebensqualität, Care-giver Belastung und den gesundheitsökonomischen Ressourcenverbrauch. Diese Studie wird vom BM für Gesundheit mitfinanziert. Last-Patient-out wird für den August 2015 erwartet.

Ergebnisse: In der Offensive nutzten 95% der beteiligten 39 Einrichtungen die empfohlenen Steuerungsinstrumente (Checkliste, Projektplan). Durchschnittlich wurden zwei Projektpläne pro Patient mit einer durchschnittlichen Laufzeit von jeweils 12 Monaten aufgestellt. Diese beinhalteten durchschnittlich 3 Maßnahmen. Bei den Programmteilnehmern konnte tendentiell eine Stabilisierung der Lungenfunktionsparameter beobachtet werden, während in der Vergleichsgruppe eine Progression zu beobachten war. 73% der beteiligten Einrichtungen äußerten, dass ihre Erwartungen übertroffen worden waren, 70% der beteiligten Patienten bzw. deren Eltern bewerteten ihre Teilnahme als gut/hervorragend. Eine explorativ durchgeführte Erhebung der Lebensqualität zeigte in dem validierten Instrument CFQ-R eine Verbesserung in allen Dimensionen. VEMSE-CF: Die demographischen Charakteristika der Interventionsgruppe (73 weiblich, 78 männlich, 74 <18 Jahre, 77 ≥ 18 Jahre, FEV-1%pred.: 70,3 ±27,3, Median BMI: 19,3) sind für die im deutschen Register erfasste CF-Population repräsentativ. Bislang umfassen 40% der IBV psychosoziale, 33% psychologische, 44% sportwiss. und 34% ernährungswiss. Interventionen.

Diskussion/Schlussfolgerung: Mit Hilfe von individuell abgestimmten Behandlungsplänen gelingt die Steuerung eines komplexen multimodalen Interventionsprogramms bei der seltenen Erkrankung Mukoviszidose. Ein externes Case-Management ist für die Implementierung erforderlich. Voraussetzung für die Durchführung ist das Vorhandensein eines Registers mit Verlaufsbeobachtung. Auswirkungen auf die Prozess- und Ergebnisqualität lassen sich bislang vermuten, es bleiben jedoch die Ergebnisse der kontrollierten Studie abzuwarten.