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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Zusammenhang zwischen subjektiver Bewertung von Arbeitsschutz, Patientensicherheit sowie Arbeitsbedingungen und beobachtetem sicherheitsrelevantem Verhalten von Beschäftigten. Eine explorative Analyse in einem Krankenhaus der Maximalversorgung

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Monika A. Rieger - Inst. f. Arbeitsmed., Sozialmed. & Versorgungsforschung, Tübingen, Germany
  • Angelika Stage - Inst. f. Arbeitsmed., Sozialmed. & Versorgungsforschung, Tübingen, Germany
  • Constanze Lessing - Institut für Patientensicherheit der Universität Bonn(IfPS), Bonn, Germany
  • Edwin Luntz - Inst. f. Arbeitsmed., Sozialmed. & Versorgungsforschung, Tübingen, Germany
  • Martina Michaelis - Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin, Freiburg, Germany
  • Martina Michaelis - Inst. f. Arbeitsmed., Sozialmed. & Versorgungsforschung, Tübingen, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocKV14-215

doi: 10.3205/13dkvf158, urn:nbn:de:0183-13dkvf1580

Published: October 25, 2013

© 2013 Rieger et al.
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Text

Hintergrund: Neben Befragungen von Beschäftigten und ggf. auch Patienten stellt die Methode der Beobachtung eine weitere Möglichkeit dar, die Umsetzung von Vorgaben zu Arbeitsschutz (AS), Hygiene und damit auch Patientensicherheit (PS) im Krankenhaus zu erfassen. Diese Methode findet z.B. Eingang in die Gefährdungsbeurteilung von Arbeitsplätzen, wie sie von BetriebsärztInnen und anderen Akteuren in Arbeitsschutz und Hygiene als Begehung durchgeführt wird. Zur Dokumentation der Ergebnisse können jeweils an die Situation angepasste Checklisten verwendet werden. In diesem Beitrag wird explorativ der Frage nachgegangen, welcher Zusammenhang besteht zwischen (a) der durch eine Arbeitsmedizinerin beobachteten Umsetzung entsprechender Vorgaben zu Arbeitssicherheit und Hygiene auf Krankenhausstationen und der von Pflegenden wahrgenommenen Arbeitsschutz- und Patientensicherheitskultur sowie (b) dem Umsetzungsverhalten und von den Pflegenden selbst berichteten psychosozialen Arbeitsbedingungen.

Methodik: Die Checkliste zur Beurteilung von Krankenhausstationen unter AS- und PS-Aspekten wurde auf der Basis von Ergebnissen aus einem Fokusgruppeninterview mit ExpertInnen sowie themenrelevanten Veröffentlichungen entwickelt und mit WissenschaftlerInnen aus dem Feld Arbeitsschutz bzw. Patientensicherheit abgestimmt. Sie umfasst 94 Einzelitems zu beobachtbaren Aspekten.

Die Beurteilungen erfolgten jeweils von 0 (trifft gar nicht zu) bis 3 (trifft völlig zu). Es wurden zwei Mittelwertscores aus denjenigen Items gebildet, bei denen die Beschäftigten selbst durch ihr Verhalten Einfluss auf die Qualität von Arbeitsschutz und Patientensicherheit auf der Station nehmen können. Hierbei wurde unterschieden in Aspekte, die vorwiegend dem Arbeitsschutz (d.h. Selbstschutz) der Pflegenden (Score 1, 14 Items; z.B. keine Schutzkleidung im Sozialraum) bzw. der Patientensicherheit dienen (Score 2, 40 Items) (z.B. freie Verkehrswege). Hierbei waren Überschneidungen zugelassen (z.B. Händedesinfektion). Einen bis drei Monate zuvor wurden die Pflegenden mittels Fragebogen zur wahrgenommenen a) Arbeitsschutz- und Patientensicherheitskultur sowie b) zu psychosozialen Arbeitsbedingungen befragt.

Der Fragebogen beinhaltete zu a) die dt. Version des HSOPS (Hospital Survey on Patient Safety), hierzu analog gebildete und weitere Items zum Thema Arbeitsschutz im Krankenhaus sowie Items zur globalen Bewertung von AS und PS. Zu b) wurden einige Skalen der dt. Version des COSPOQ (Copenhagen Psychosocial Questionnaire) verwendet.

Die Befragungsergebnisse wurden als stationsbezogene Mittelwerte aggregiert. Die explorative Korrelationsanalyse erfolgte mittels Rangkorrelationskoeffizient nach Spearman.

Ergebnisse: Mit Hilfe der standardisierten Checkliste wurde die beobachtbare AS/PS-Situation von 48 Stationen (chirurgische und nicht-chirurgische Disziplinen einschließlich Psychiatrie) in einem Krankenhaus der Maximalversorgung dokumentiert.

Aus den Mittelwerten von Score 1 (2,89, Standardabweichung (SD) 0,15) und Score 2 (2,73, SD 0,10) kann eine weitgehende Umsetzung der zu überprüfenden Aspekte durch die Pflegenden geschlossen werden.

Score 1 (vorrangig Selbstschutz): es wurden in Bezug auf die o.g. subjektiven Daten zur (a) Arbeitsschutz- und Patientensicherheitskultur nur sehr wenige signifikante und nur schwach (ρ >.2 und <.5) positive Korrelationen gefunden. Im Hinblick auf die (b) psychosozialen Arbeitsbedingungen fanden sich schwach bis moderat (inhaltlich positive) Korrelationen mit den Skalen Quantitative Anforderungen, Rollenkonflikt und Einfluss bei der Arbeit.

Score 2 (vorrangig Fremdschutz): hier ergaben sich schwach positive Korrelationen mit den COPSOQ-Skalen Gemeinschaftsgefühl und Soziale Unterstützung bei der Arbeit sowie der HSOPS-Skala Lernende Organisation (jeweils Trend zur Signifikanz, p<.1).

Vereinzelt wurden bei beiden Scores weitere schwache Effekte ohne Signifikanz entdeckt.

Diskussion/Schlussfolgerung: Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurde die über eine standardisierte AS/PS-Checkliste dokumentierte Ausprägung der beobachtbaren Umsetzung von Arbeitsschutz und Patientensicherheit erfasst und erstmals explorativ auf eine mögliche Assoziation zu entsprechenden Ergebnissen einer Beschäftigtenbefragung untersucht. Vor dem Hintergrund eines allgemein als gut bis sehr gut zu bezeichnenden AS/PS-Verhaltens der Pflegenden (Deckeneffekt) waren kaum Assoziationen festzustellen. Die Assoziationen der beiden Verhaltensscores zu den COSPOQ-Skalen sind inhaltlich plausibel, die Ergebnisse für die Arbeitsschutz- und Patientensicherheitskultur dagegen eher wenig aussagekräftig.

Für belastbarere Aussagen erscheinen weiterführende Untersuchungen mit größerer Fallzahl und höherer Varianz bei den erfassten Aspekten sowie ggf. mit mehrfach durchgeführten Begehungen erforderlich.

Die vorgestellten Ergebnisse sind Teil der Dissertation von Angelika Stage und stammen aus dem Projekt "Arbeitsschutz- und patientenbezogene Sicherheitskultur im Gesundheitsdienst (ABSK)" (Finanzierung: überwiegend Eigenmittel).