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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Individuelle Intervention und Aufgabenteilung zwischen Hausarzt und Dementia Care Manager in der DelpHi-MV-Studie (Demenz: lebensweltorientierte und patientenzentrierte Hilfen in Mecklenburg-Vorpommern)

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Adina Dreier - Insitut für Community Medicine, Greifswald, Germany
  • presenting/speaker Jochen Renè Thyrian - Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen, Greifswald, Germany
  • Tilly Eichler - Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen, Greifswald, Germany
  • Wolfgang Hoffmann - Insitut für Community Medicine, Greifswald, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocKV12-187

doi: 10.3205/13dkvf134, urn:nbn:de:0183-13dkvf1341

Published: October 25, 2013

© 2013 Dreier et al.
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Text

Hintergrund: Demenz ist eine der häufigsten chronisch progredienten Erkrankungen im höheren Alter. Das Fortschreiten der Erkrankung geht mit einem steigenden medizinisch-pflegerischen Versorgungsbedarf auf Seiten der Patienten mit Demenz einher, so dass der Medizin und der Pflege elementare Aufgaben innerhalb der Demenzversorgung zu kommen.

Der Standort Rostock/Greifswald des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) verfolgt mit der DelpHi-MV-Studie das Ziel, die medizinische und pflegerische Versorgungssituation von Menschen mit Demenz zu analysieren, ein neuartiges subsidiäres Versorgungskonzept einzusetzen und dieses hinsichtlich seiner Wirksamkeit zu überprüfen.

Methodik: DelpHi-MV ist eine hausarztbasierte, cluster-randomisierte, prospektive Interventionsstudie. Der Ablauf in der Interventionsgruppe umfasst (1) ein Screening in der Hausarztpraxis, (2) die Kontaktaufnahme und Terminvereinbarung der speziell qualifizierten Pflegefachperson (Dementia Care Manager, DCM), (3) zwei Besuche zur Baselineerhebung in der Häuslichkeit und (4) weiteren Besuchen in regelmäßigen Abständen sowie (5) ein Follow-up nach einem Jahr.

Kern des integrativen Versorgungskonzeptes ist ein strukturiertes, modulares Behandlungsprogramm. Anhand der umfassenden, standardisierten Baselineerhebung analysieren die DCMs in der Häuslichkeit die medizinische, pflegerische und soziale Situation des Probanden im Detail. Anhand der Ergebnisse werden aus einer großen Anzahl verschiedener Module aus dem sog. Interventionsmanagementsystem (IMS) der individuelle Versorgungs- und Betreuungsplans des Patienten mit Demenz erstellt. Dieser Plan wird mit dem Hausarzt des Patienten besprochen und validiert. Die Ausführung der Module wird arbeitsteilig vom Hausarzt selbst übernommen oder an die DCMs delegiert. Die delegierten Interventionsmodule gestaltet die DCM individuell unter Einbeziehung regionaler Faktoren und koordiniert deren Implementation.

Ergebnisse: In der Interventionsgruppe sind derzeit N=174 Patienten eingeschlossen. Die vier DCMs haben bislang N=109 Patienten mit Demenz besucht und die Baselineerhebung durchgeführt (Stand: 30.03.2013). Die entwickelten Versorgungs- und Betreuungsempfehlungen betreffen folgende drei Bereiche: (a) Allgemeine und sozialrechtliche Empfehlungen, (b) Empfehlungen zur pflegerischen Betreuung und (c) Empfehlungen zum weiteren Vorgehen.

Dem Bereich (a) sind sieben Empfehlungen zugeordnet. Insgesamt wurden N=124 Empfehlungen aus dem Bereich (a) durch das IMS getätigt, von denen N=79 (64%) durch die Hausärzte zur Umsetzung an die DCMs delegiert wurden. Die häufigsten drei Empfehlungen waren: Vorsorgevollmacht einrichten (N=36), Patientenverfügung einrichten (N=15) und Nutzung einer Angehörigengruppe / Angehörigenschulung (N=11)

Die Empfehlungen zur pflegerischen Betreuung (b) umfassen zwölf Empfehlungen. Aus dem Bereich wurden insgesamt N=107 durch IMS getätigt und N=64 (60%) an die DCMs durch die Hausärzte delegiert. Die häufigste Empfehlung aus diesem Bereich war die Beantragung einer Pflegestufe / zusätzlicher Betreuungsleistungen (N=35), die zu 71% (N=25) an die DCMs zur Umsetzung delegiert wurde. Gefolgt von Fahrdienste, Essen auf Rädern, Externe / private Haushaltshilfe (N=8), die zu 86% (N=6) von den Hausärzten an die DCMs delegiert wurden. Die dritthäufigste Empfehlung war der Widerspruch gegen eine Ablehnung bzw. Neubeantragung der Pflegestufe / zusätzliche Betreuungsleistungen (N=7), welche zu 38% für die Umsetzung an die DCMs durch die Hausärzte delegiert wurde.

Die dritte Empfehlungsbereich (c) zum weiteren Vorgehen schließt 18 Empfehlungen ein. So unter anderem die Diagnoseprüfung Demenz, die Medikationsprüfung durch den Apotheker oder die Überweisung zu einem Facharzt. Empfehlungen aus dem Bereich wurden N=208 durch das IMS ermittelt. Nur der geringe Anteil von N=15; 7% wurde durch die Hausärzte an die DCMs zur Umsetzung delegiert. Dies betraf u.a. die Unterstützung bei der Vorbereitung / Verabreichung der Medikamente (N=1), das Monitoring / Behandlung Mobilitätseinschränkung / Sturzrisiko (N=4) und sonstige Empfehlungen (N=10). Beispiele für sonstige Empfehlungen sind die Nutzung eines Medikamentendispensers (N=3) oder die Anschaffung eines Notrufsystems (N=1).

Diskussion/Schlussfolgerung: Ziel der DelpHi-MV-Studie ist die wissenschaftliche Evaluation eines innovativen, integrativen Versorgungskonzeptes in der Häuslichkeit lebender Patienten mit Demenz. Das modulare Versorgungskonzept ist durch eine enge Kooperation zwischen dem Hausarzt und der DCM charakterisiert. Erste Auswertungen zeigen, dass auf Grundlage des Basisassessments Interventionsmodule in den Bereichen sozialrechtliche Beratung, pflegerische Versorgung und der Diagnosestellung bzw. -prüfung schwerpunktmäßig empfohlen werden. Sollte sich das Konzept als wirksam, effektiv und effizient erweisen, wird mittelfristig eine Umsetzung der relevanten Teilmodule im Gesundheitssystem angestrebt.