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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Häufigkeit von Hüft- und Kniegelenksersatz in Deutschland und den USA

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Annelene Wengler - TU Berlin, Berlin, Germany
  • Thomas Mansky - TU Berlin, Berlin, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocKV11-249

doi: 10.3205/13dkvf128, urn:nbn:de:0183-13dkvf1286

Published: October 25, 2013

© 2013 Wengler et al.
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Hintergrund: Laut OECD werden in Deutschland mehr Implantationen von künstlichen Hüft- und Kniegelenken (TEPs) vorgenommen als in allen anderen betrachteten Ländern. Rohe Raten haben allerdings nur eine sehr begrenzte Aussagekraft hinsichtlich des Operationsgeschehens. Vielmehr müssen beim Vergleich verschiedener Länder die teils erheblichen Unterschiede insbesondere der Prozedurenklassifikation sowie die sehr unterschiedliche Altersstruktur berücksichtigt werden. Deutschland hat mit Abstand den größten Anteil über 65-Jähriger (über 20%). In den USA liegt der Anteil lediglich bei 13%. Um der Frage nachzugehen, ob in Deutschland tatsächlich häufiger TEPs eingesetzt werden, vergleichen wir deutsche und amerikanische Daten auf Basis exakter Abgleiche der Prozeduren sowie nach Altersstandardisierung.

Methodik: Für Deutschland werden die Daten der Fallpauschalenbezogenen Krankenhausstatistik (DRG-Statistik) und somit eine Vollerhebung aller stationären Krankenhausfälle in Deutschland verwendet. Für die USA steht mit dem Nationwide Inpatient Sample (NIS) eine 20%-Stichprobe aller Krankenhäuser zur Verfügung, in denen jeweils alle entlassenen Patienten erfasst werden. In Deutschland wird zur Kodierung der Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) genutzt. Die relevanten Prozeduren werden für Deutschland für Hüft- und Knie-TEPs anhand der SQG-Definition identifiziert und sorgfältig auf die USA und den dort verwendeten Prozedurenteil der ICD-9-CM übertragen. Wir unterscheiden zwischen Erstimplantationen und Revisionen (Wechsel) sowie für die Hüften zwischen elektiven sowie frakturbedingten TEPs. Die Auswertungen werden nach Geschlechts- und Altersgruppen stratifiziert. Die zeitlichen Veränderungen werden über die Jahre 2005 bis 2010 betrachtet.

Ergebnisse: 2010 wurden in Deutschland rund 155.000 Hüft- (ohne Frakturen) und 143.000 Kniegelenke implantiert (Erstimplantation). In den USA waren es im gleichen Zeitraum 298.000 Hüft- und 657.000 Kniegelenke. Einem Prothesen- oder Komponenten-Wechsel unterzogen sich rund 24.000 (Deutschland) bzw. 45.000 (USA, jeweils Hüfte) und 15.000 (Deutschland) bzw. 55.000 (USA, jeweils Knie) Patienten. Hüft-Endoprothesen aufgrund einer Fraktur erhielten rund 50.000 Patienten in Deutschland und 100.000 in den USA. Aufgrund der unterschiedlichen Altersstruktur und der Größe der Bevölkerung sind diese Werte nicht direkt miteinander vergleichbar. Nach Standardisierung auf die deutsche Bevölkerung zeigt sich, dass in Deutschland etwa ein Drittel mehr Hüften implantiert werden (sowohl bei Erstimplantation als auch bei Wechsel). Auch die Anzahl der Fraktur-TEPs liegt in Deutschland 27% (Männer) und 23% (Frauen) höher als in den USA. Bei den Erstimplantationen der künstlichen Kniegelenke zeigt sich jedoch, dass in den USA 78% (Männer) bzw. 57% (Frauen) mehr TEPs eingesetzt werden. Auch die Knie-TEP-Wechsel liegen 47% (Männer) bzw. 16% (Frauen) höher als in Deutschland.

Allgemein steigt die Zahl der Erstimplantationen und Wechsel von Hüften und Knien zwischen 2005 und 2010 in Deutschland und den USA an. Dabei sind bei den Hüft-Erstimplantationen 70% (Männer) bzw. 55% (Frauen) des Anstiegs in Deutschland und 39% (Männer) bzw. 40% (Frauen) in den USA auf die demographische Alterung der Bevölkerung zurückzuführen. Die Anzahl der Fraktur-TEPs steigt (roh) zwischen 2005 und 2010 lediglich für die deutschen Männer an. Dieser Anstieg lässt sich vollständig durch die Alterung der Bevölkerung erklären. Die rohe Rate der Fraktur-TEPs bei den Frauen bleibt trotz Alterung der Bevölkerung gleich. Wird für die demographische Veränderung kontrolliert zeigt sich, dass die Anzahl der Fraktur-TEPs zwischen 2005 und 2010 um fast 10% sinkt. Ähnlich verhält es sich in den USA, hier sind die Fraktur-TEPs bei Beachtung der veränderten Altersstruktur für beide Geschlechter rückläufig (Männer -10%, Frauen -11%).

Diskussion/Schlussfolgerung: Klare Definitionen der Prozeduren und die Berücksichtigung der Altersstruktur sind unabdingbar, um das Implantationsgeschehen in Deutschland mit anderen Ländern vergleichen zu können. In Deutschland werden nach Korrekturen mehr elekive Hüft-TEPs und Fraktur-TEPs der Hüfte jedoch deutlich weniger Knie-TEPs eingesetzt als in den USA. Über die Ursachen dieser Diskrepanz können nur Vermutungen angestellt werden. Aufgrund deutlich höherer Zuzahlungen könnten in den USA niedrigere Zahlen erwartet werden. Dies trifft aber zumindest für die Knie-TEPs nicht zu. Auch unterschiedliche Haftungsrisiken könnten eine Rolle spielen. Die hohe Rate an Knie-TEPs könnte ferner auf einen in den USA höheren Anteil an partiellen bzw. Oberflächenersatz-Endoprothesen zurückzuführen sein. Dies lässt sich aber für die USA nicht untersuchen, da der Prozedurenschlüssel zu undiffererenziert ist. Es verbleiben daher hinsichtlich der Ursachen der Unterschiede offene Fragen. Die Behauptung, dass in Deutschland generell zu viele Endoprothesen eingesetzt würden, ist allerdings in der bisherigen, undifferenzierten Form nicht haltbar.