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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Trends in der Versorgung von Rückenschmerzpatienten von 2006–2010

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Jean-François Chenot - Abt. Allgemeinmedizin, Institut für Community Medicine, Greifswald, Germany
  • presenting/speaker Christiane Haupt - Wissenschaftliches Institut der AOK, Berlin, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocKV11-101

doi: 10.3205/13dkvf126, urn:nbn:de:0183-13dkvf1261

Published: October 25, 2013

© 2013 Chenot et al.
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Hintergrund: Rückenschmerzen sind eine Volkskrankheit und häufiger Anlass, einen Hausarzt und / oder Spezialisten zu konsultieren. Über- und Unterversorgung von Rückenschmerzpatienten sind weltweit berichtet worden. Ziel dieser Studie ist es, Längsschnittdaten zur Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen bei Rückenschmerzen von 2006 bis 2010 darzustellen und zu bewerten.

Methodik: Datengrundlage sind die Abrechnungsdaten von durchschnittlich 24 Millionen AOK Versicherten über 18 Jahre von 2006-2010. Als Rückenschmerzen wurden ICD-Codes für unspezifische Rückenschmerzen definiert. Patienten mit rheumatischen Erkrankungen, bestimmten Tumordiagnosen und Frakturen sowie spezifische Rückenschmerzen wurden ausgeschlossen. Grundlage für die Bewertung war die Nationale Versorgungsleitlinie Kreuzschmerzen (NVL).

Ergebnisse: Im Beobachtungszeitraum konsultierten ca. 30% aller Versicherten wenigstens einmal wegen Rückenschmerzen, meisten nur den Hausarzt (56%). Es erhielten 58% mindestens eine Bildgebung, davon über die Hälfte mehrfach. Der Abfall beim konventionellen Röntgen wird durch eine Zunahme der Magnetresonanztomographie mehr als ausgeglichen. Der Zahl der Abrechnungen für spezielle Schmerztherapie stieg um 613%, die der Injektionstherapien hat sich mehr als verdreifacht. Die Zahl BTM-pflichtigen Opiatverordnungen ist im selben Zeitraum um 25% angestiegen, während die Zahl der Patienten, die Opiate erhielten, nur geringfügig angestiegen ist. Die Abrechnung der Akupunktur stieg von 2007 bis 2009 um 13% und fiel 2010 leicht ab. Die Abrechnung von Chirotherapie blieb fast unverändert.

Diskussion/Schlussfolgerung: Es gibt in vielen Bereichen einen auch in anderen Industriestaaten beobachteten, demographisch nicht erklärbaren Trend zu einer aggressiveren Diagnostik und Therapie von Rückenschmerzen. Der nachgewiesene Nutzen von Bildgebung und Injektionstherapien, Opiaten, Chirotherapie und Akupunktur bei Rückenschmerzen wird in der NVL kritisch bewertet oder nur bei strenger Indikation gesehen. Auch wenn manche Steigerungen stark sind und die Zahlen im internationalen Vergleich hoch liegen, kann in Teilbereichen eine Unterversorgung nicht ausgeschlossen werden. Tendenziell sprich aber vieles für eine ineffiziente Überversorgung. Im selben Zeitraum wurde eine Zunahme der Rückenoperationen um 118% beobachtet. Diese Zunahme von Interventionen hat zu keiner nachweisbaren Verbesserung der Versorgung z.B. durch die Abnahme der Konsultationshäufigkeit, durch die Abnahme von Leistungen in anderen Bereichen oder verringerte Arbeitsunfähigkeit geführt. Ein verbessertes kontinuierliches Monitoring der Inanspruchnahme von Leistungen für Rückenschmerzen und der damit verbundenen Kosten sowie des Nutzen ist notwendig für die gesundheitspolitische Steuerung.