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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Verbessert die gemeinsame Schulung von Ärzten und Pflegenden die sichere Identifikation von Patienten im Krankenhaus? Ergebnisse aus einer randomisierten Multicenterstudie im Time-Series Design

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Constanze Lessing - Institut für Patientensicherheit, Bonn, Germany
  • presenting/speaker Richard Lux - Institut für Patientensicherheit, Bonn, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocT4-11-127

doi: 10.3205/13dkvf090, urn:nbn:de:0183-13dkvf0906

Published: October 25, 2013

© 2013 Lessing et al.
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Hintergrund: Die Sicherstellung der richtigen Patientenidentität stellt eine wichtige Grundlage dar, um Verwechslungsfälle während der stationären Versorgung auszuschließen. Dies umfasst alle Schritte des Versorgungsprozesses. Darin einbezogen sind neben dem Patienten alle Berufsgruppen im Krankenhaus. Aufgrund ihrer grundlegenden Bedeutung und in ihrer Komplexität stellt die sichere Patientenidentifikation ein zentrales Handlungsfeld der Patientensicherheit dar. Im Jahr 2008 veröffentlichte das Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V. (APS) Handlungsempfehlungen zur sicheren Patientenidentifikation. Die empfohlenen Maßnahmen umfassen die richtige und vollständige Dokumentation identifizierungsrelevanter Parameter in der Krankenakte (Vorname, Nachname, Geburtsdatum) sowie deren wiederkehrende Richtigkeitsprüfung durch Erfragen beim Patienten. Das Erfragte sollte mit der Patientenakte abgeglichen werden. Die Evaluation dieser Empfehlung erfolgte im Rahmen einer Interventionsstudie durch das Institut für Patientensicherheit (IfPS).

Methodik: Das IfPS führte in vier Berliner Krankenhäusern eine randomisierte Multicenterstudie durch. Pro Haus wurden zwei internistische und zwei chirurgische Stationen ausgewählt und jeweils eine internistische und chirurgische Station der Kontroll- bzw. der Interventionsgruppe randomisiert zugeteilt. Die Intervention bestand aus zwei 45minütigen Schulungen, an der Ärzte und Pflegende gemeinsam teilnahmen. Im Rahmen der Evaluation wurden Krankenakten auf Vollständigkeit und Richtigkeit identifizierungsrelevanter Parameter (Vorname, Nachname, Geburtsdatum) geprüft und Patienten zu ihren Beobachtungen hinsichtlich des Identifizierungsprozesses befragt. Messungen fanden zu insgesamt vier Zeitpunkten statt, zwei vor und zwei nach Durchführung der Schulung. Die Auswertung der erhobenen Daten wurde mit den Softwarepakten SPPS und Stata durchgeführt. Primärer Beobachtungsendpunkt zur Bestimmung der Effektstärke war die Anzahl von Dokumenten mit identifizierungsrelevantem Fehler pro Krankenakte. Zur Bestimmung der Effektstärke wurde ein multilevel mixed-effects Modell erstellt.

Ergebnisse: An den Schulungen nahmen insgesamt 72 Pflegende und Ärzte (Unterrichtseinheit I) bzw. 67 Pflegende und Ärzte (Unterrichtseinheit II) teil. Es wurden 872 Patienten befragt und die Krankenakten von 767 Patienten analysiert. Vor Durchführung der Schulung betrug die durchschnittliche Anzahl von Dokumenten mit identifizierungsrelevanten Fehlern pro Akte in der Interventionsgruppe 2,66, in der Kontrollgruppe 2,61. Nach der Schulung sank die Anzahl der fehlerhaften Dokumente pro Akte in der Interventionsgruppe auf 1,61, in der Kontrollgruppe auf 2,55. Im Modell zeigt sich eine signifikante Reduzierung der Fehlerrate nach Durchführung der Schulung um 35% (p= 0,003). Sechs Monate nach der Schulung lag die Fehlerhäufigkeit in der Interventionsgruppe bei 1,87, in der Kontrollgruppe bei 2,06. Im Rahmen der Patientenbefragung konnten keine Unterschiede vor und nach der Schulung festgestellt werden.

Diskussion/Schlussfolgerung: Bei der Studie handelt es sich um eine der wenigen Studien im deutschsprachigen Raum, die sich mit hoher Fallzahl und methodisch hochwertigem Design dem Thema sichere Patientenidentifikation und deren Beeinflussbarkeit durch Schulung des an der der Patientenversorgung beteiligten Personals befasst. Die Häufigkeit identifizierungsrelevanter Dokumentationsfehler konnte signifikant reduziert werden. Diese Ergebnisse stützen unsere Hypothese, dass sich insbesondere die interprofessionelle Schulung von Ärzten und Pflegenden eignet, die sichere Patientenidentifikation in deutschen Krankenhäusern zu optimieren. Die Reduktion von Dokumentationsfehlern auch in der Kontrollgruppe deutet auf den Hawthorneffekt hin. Die Tatsache, dass sich die Fehlerraten zum Ende des einjährigen Beobachtungszeitraums erhöhten, lässt darauf schließen, dass regelmäßige Nachschulungen sinnvoll und notwendig sind. Das subjektive Sicherheitsempfinden der Patienten zeigt bei insgesamt sehr hohen Werten keine Veränderungen im Zusammenhang mit der Schulung von Pflegenden und Ärzten.