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Ambulant betreute Demenz-Wohngemeinschaften in Deutschland: Pflegepotential und Kosten
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Published: | October 25, 2013 |
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Hintergrund: Seit den 1980er Jahren etablieren sich ambulant betreute Wohngemeinschaften (WGs) als Bestandteil der Versorgungslandschaft und Alternative zur stationären Versorgung. Derzeit existieren etwa 4000 Plätze (eigene Schätzung) in den drei bevölkerungsreichsten Städten Deutschlands, Berlin, Hamburg und München. Mit Beginn des Jahres 2006 haben nahezu alle Bundesländer Gesetzgebungen verabschiedet, die alternative Wohnformen, zu der auch Demenz-Wohngemeinschaften gehören, unterstützen sollen. Informationen über (a) die Klientel, die diese Art des Versorgungsangebotes wahrnimmt, (b) deren Pflegepotential und (c) über die Kosten solcher Einrichtungen liegen derzeit nicht vor.
Methodik: In einer bundesweiten, postalischen Fragebogenerhebung von Demenz-WGs wurden n=332 Fragebögen an 151 Träger versendet. Die Adressen basierten auf einer Internetrecherche existierender Demenz-WG Plattformen, sowie Suchergebnissen mit den Begriffen Pflegewohngemeinschaft, Wohnpflegegemeinschaft sowie Senioren-WG, in Kombination mit ambulant und einer ergänzenden Suche zu dieser Versorgungsform bei Internetauftritten großer Wohlfahrtsträger, bzw. demenzspezifischer Fachgesellschaften. Als Demenz-WGs bezeichnet wurden dabei Angebote, die sich explizit und ausschließlich an Menschen mit Demenz im hohen Alter richteten. Wohngemeinschaften bei denen dies fraglich war, wurden im Vorfeld kontaktiert. Der versendete Bogen beinhaltete Fragen zur Soziodemografie und Pflegebedürftigkeit der Bewohner, sowie Auslastung, Trägerschaft, Leistungsanbieter und Kostenstruktur der WG.
Ergebnisse: Insgesamt wurden Fragebögen von n=88 Trägern von WGs (Response: 27%) zurückgesendet, die n=764 Bewohner versorgen. Dreiviertel der Bewohner waren weiblich, 83% über 80 Jahre alt, davon 16% über 90 Jahre. Die Klientel war stark pflegebedürftig (4% Pflegestufe (PS) 0; 24% PS I; 45% PS II; 26% PS III; 1% PS III+). Häufig war eine Anbindung der WGs an privatwirtschaftliche Leistungsanbieter. 38% (n=33) der Wohngemeinschaften gaben diesbezüglich an, ihre Bewohner zur Auswahl eines bestimmten Pflegedienstes zu verpflichten. Die Auslastung der WGs lag bei 98%. 86% der Wohngemeinschaften gaben an, ihre Bewohner bis zum Lebensende versorgen zu können. Nahezu die Hälfte (48%) der Bewohner erhielt Leistungen aus dem Bereich der Sozialhilfe. Durchschnittlich kostete ein Platz in einer Wohngemeinschaft 3.265 Euro (exklusive Leistungen des Bereichs SGB V).
Diskussion/Schlussfolgerung: Ambulant betreute Demenz-Wohngemeinschaften versorgen stark pflegebedürftige Bewohner und liegen in der PS 2 und PS 3 etwa 12-13% über dem Pflegestufenniveau vollstationärer Einrichtungen. Die Kosten waren insgesamt sehr heterogen verteilt, die Kaltmiete betrug durchschnittlich 300 Euro, bei einer Standardabweichung von 75 Euro (Range 110 - 490). Noch größere Unterschiede zeigten sich bei den Angaben zu den Betreuungskosten: durchschnittlich lagen diese bei 884 Euro mit einer Standardabweichung von 410 Euro (Range 250 - 1.885). Dies wirkt sich entscheidend auf die Gesamtkosten aus. Die Studienergebnisse können in diesem Zusammenhang daher nur einen Anhaltspunkt geben. Aussagen über die Betreuungsqualität in den befragten Demenz-WGs sind auf unserer Datenbasis nicht möglich. Eine offene Frage betrifft z.B. die Qualifikation und Betreuungsquote in der jeweiligen WG.
In der Betrachtung der Gesamtkosten ist ein Platz in den untersuchten Demenz-WGs im Durchschnitt 1,7% teurer als in der stationären Dauerpflege (PS 2 / 30 Tagessätze = 3210 Euro [Schmidt et al.]). Die vorliegende Studie beachtet dabei jedoch nicht, inwieweit hier auch strukturelle Bedingungen, wie z.B. Raumangebot, Ausstattung bzw. Personalausstattung differieren. Ebenso ist unklar, ob und wie sich die Klientel in beiden Versorgungsstrukturen unterscheidet. Andere Studien zeigten das die Betreuungsquote (Vollzeitäquivalent, sowohl Fach- wie Betreuungskräfte) etwa 0,3 Stellen über dem Niveau der vollstationären Versorgung liegt. Jedoch gab es auch hier erhebliche Unterschiede. [Wolf-Ostermann],[Kremer-Preiß et al.] [Schmidt et al.]