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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Wie Patienten ihre Rolle in Patientenschulungen erleben – eine qualitative Analyse im Bereich muskuloskelettaler Erkrankungen

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Andrea C. Schöpf - Universitätsklinikum Freiburg, Abt. QM und Sozialmedizin, Freiburg, Germany
  • Antje Ullrich - Universitätsklinikum Freiburg, Abt. QM und Sozialmedizin, Freiburg, Germany
  • Michaela Nagl - Universitätsklinikum Freiburg, Abt. QM und Sozialmedizin, Freiburg, Germany
  • Erik Farin-Glattacker - Universitätsklinikum Freiburg, Abt. QM und Sozialmedizin, Freiburg, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocT1-24-35

doi: 10.3205/13dkvf072, urn:nbn:de:0183-13dkvf0722

Published: October 25, 2013

© 2013 Schöpf et al.
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Outline

Text

Hintergrund: Patientenschulungen sind ein wesentlicher Bestandteil der Behandlung von Patienten mit chronischen Erkrankungen in der medizinischen Rehabilitation. Sie dienen unter anderem dazu Wissen zu vermitteln und Fertigkeiten zu erlangen, um Entscheidungen treffen und mit der Krankheit umgehen zu können. Um diese Ziele zu erreichen, spielen auf der einen Seite Eigenschaften der Schulung, wie deren Verständlichkeit, eine große Rolle. Andererseits müssen aber auch Merkmale der Patienten berücksichtigt werden, da diese darüber mitentscheiden, ob und wie eine Schulung angenommen wird [1]. Bisher ist nur wenig darüber bekannt, wie Patienten ihre Rolle in Patientenschulungen innerhalb von Rehabilitationsmaßnahmen erleben. Deshalb ist das Ziel unserer Studie zu erkunden, wie Patienten mit chronischen muskuloskelettalen Erkrankungen ihre eigene Rolle in Patientenschulungen in Rehabilitationseinrichtungen sehen und welcher Nutzen daraus für die Entwicklung, Implementierung und Durchführung von Schulungen gezogen werden kann.

Methodik: Es wurden sechs Fokusgruppen mit Patienten, die an chronischen Rückenschmerzen und/oder Arthrose leiden (N=30), durchgeführt. Die Gruppengespräche wurden mit Hilfe einer interpretativen phänomenologischen Analyse (IPA) ausgewertet. Die IPA ist ein qualitatives Verfahren mit einem Fokus darauf, wie Menschen wichtige Lebensereignisse erleben und verstehen. Durch die Analyse wurden nicht nur Kategorien der Patientenaussagen entwickelt, sondern auch Verbindungen zwischen den Kategorien aufgezeigt [2], die subjektive Theorien von Patienten erkennen lassen.

Ergebnisse: Aus den Daten treten drei Hauptkategorien hervor: 'Rolle des Patienten während der Schulung/des Rehabilitationsaufenthalts', 'Interaktion zwischen Merkmalen der Schulung und des Patienten' und 'Rolle des Patienten nach der Schulung/dem Rehabilitationsaufenthalt'. Die drei Hauptkategorien besitzen Unterkategorien mit verschiedenen Inhaltsaspekten. Die Aussagen bezüglich 'Rolle des Patienten während der Schulung/des Rehabilitationsaufenthalts' können den beiden Unterkategorien 'Guter Patient' und 'Schwieriger Patient' zugeteilt werden. Die Hauptkategorie 'Interaktion zwischen Merkmalen der Schulung und des Patienten' enthält die drei Unterkategorien 'Merkmale der Schulung und Verstehen', 'Merkmale der Schulung und Motivation' und 'Frühere Erfahrungen'. 'Rolle des Patienten nach der Schulung/dem Rehabilitationsaufenthalt' teilt sich in die Unterkategorien 'Aktiver Patient' und 'Unsicherer Patient' auf. Als besonders interessant haben sich die Verbindungen zwischen den Kategorien herausgestellt. Beispielsweise fallen in die Unterkategorie 'Schwieriger Patient' viele Aussagen dazu, dass nicht alle Patienten Interesse an einer bestimmen Schulung zeigen und unmotiviert sind. Die Fokusgruppen unterscheiden sich dabei in den angegeben Gründen. Während eine Fokusgruppe die Interessenlosigkeit anderer Patienten teilweise auf deren mangelnde Intelligenz attribuiert, werden in einer anderen Gruppe Umstände außerhalb der Rehabilitation als ablenkend bezeichnet (z. B. die Angst vor Jobverlust). Andere Patienten führen ihre eigene Interessenlosigkeit auf mangelnde Aufklärung bezüglich des Zwecks der Schulung oder auf eine zu geringe Spezifizierung der Gruppen (z. B. gemeinsame Schulung von Patienten mit Rücken-, Knie- und Hüftproblemen) zurück.

Diskussion/Schlussfolgerung: Die Ergebnisse weisen auf die Bedeutung einer holistischen Betrachtung der Rolle von Patienten in Patientenschulungen hin. Neben Eigenschaften von Patienten und Schulungen, werden auch Merkmale der gesamten Rehabilitationsmaßnahme und Faktoren außerhalb des Rehabilitationsaufenthalts genannt. Darüber hinaus decken die Verbindungen zwischen den Kategorien subjektive Theorien der Patienten auf. Im Falle von unmotivierten Patienten lassen die Ergebnisse erkennen, dass Interessenlosigkeit nicht unbedingt eine unveränderbare problematische Eigenschaft des Patienten sein muss, sondern auch eine Folge von unzureichender Kommunikation sein kann. Die Motivation einiger Patienten könnte möglicherweise dadurch gesteigert werden, dass Behandler oder Schulungsleiter den Patienten erklären, warum bestimmte Schulungen für die jeweiligen Patienten sinnvoll sind und weshalb Patienten mit unterschiedlichen Problemen an der gleichen Schulung teilnehmen.

Förderung: Im gemeinsamen Förderschwerpunkt "Chronische Krankheiten und Patientenorientierung" von BMBF, Kranken- und Rentenversicherung.

Dank: Wir danken herzlich allen beteiligten Kooperationskliniken.


Literatur

1.
Nagl M, Ullrich A, & Farin E. Verständlichkeit von Patientenschulungen in der orthopädischen Rehabilitation: Qualitative Erhebung bei Rehabilitanden und Schulungsleitern. Die Rehabilitation. 2013;52(1):34-39.
2.
Smith JA, Flowers P, & Larkin M. Interpretative Phenomenological Analysis: Theory, Method and Research. London: Sage; 2009.