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Nutzen-Schaden-Abwägung zur Herleitung eines Gesamtnutzens im Rahmen der frühen Nutzenbewertung: Kritische Würdigung und alternative Lösungsansätze
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Published: | October 25, 2013 |
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Hintergrund: Das Iqwig hat im Rahmen der frühen Nutzenbewertung einen semiquantitativen Vorschlag zur Klassifizierung des endpunktbezogenen Zusatznutzens und zur Saldierung hin zu einem Gesamtzusatznutzen entwickelt und umgesetzt. Der Vorschlag basiert auf der Annahme einer Hypothesenverschiebung. In einer Matrix wird ein numerisches Regelwerk zur Klassifizierung angewendet, das Effektschätzer und obere Konfidenzintervalle als quantitative Kriterien zu den qualitativ stratifizierten Endpunkten festsetzt, wobei die Wahrscheinlichkeit des Auftretens des betrachteten Zusatznutzens über die Beurteilung der konfirmatorischen Qualität in Beleg, Hinweis und Anhaltspunkt zusätzlich operationalisiert wird. Dieses Vorgehen basiert auf einer einzigen in der Literatur zu findenden Veröffentlichung und dort diskutierten Festsetzung, die allerdings Werturteile beinhaltet und jeglichen biometrischen Standards entbehrt. Die Thematik der Nutzen-Schaden-Abwägung ist nicht neu und beschäftigt beispielsweise Zulassungsbehörden seit ihrer Gründung.
Methodik: Es wurde anhand der bereits vorliegenden Bewertungen für Arzneimittel mit onkologischen Indikationen untersucht, inwieweit das Iqwig-Vorgehen konsistente und verwertbare Ergebnisse unter den geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen erzielt. Ferner wurde recherchiert, welcher Methoden(Vorschläge) sich unterschiedliche Akteure im Rahmen von Arzneimittelbewertungen bzw. -Zulassungen zur Nutzen-Schaden-Abwägung bedienen oder zurzeit diskutieren. Dies erfolgte primär mit einer Dokumentenanalyse öffentlich zugänglicher Quellen. Des Weiteren wurde ein umfangreiches Konzept für die Nutzen-Schaden-Abwägung als potenzieller Lösungsvorschlag neben anderen identifizierten Alternativen entwickelt.
Ergebnisse: Das Iqwig-Vorgehen scheint inkonsistente und durch seine impliziten Werturteile rechtlich fragwürdige Ergebnisse zu liefern. Sowohl die Europäische Arzneimittelagentur (Ema) als auch die US-Amerikanische Fda haben im Rahmen von explizit zur Methodenentwicklung für die Nutzen-Schaden-Abwägung eingerichteten Arbeitsgruppen und entsprechend veröffentlichten Arbeitspapieren sich der Thematik angenommen und versuchen methodisch fundierte Lösungsansätze zu entwickeln. Der hier vorgestellte Lösungsansatz als gangbarer Weg für eine Nutzen-Schaden-Abwägung basiert auf den Methoden der multikriteriellen Entscheidungsanalyse (Mkea) wie beispielsweise Conjoint Analysen oder Analytical Hierarchy Process unter Einbeziehung von Patienten und wird auch vom Iqwig zumindest für die Endpunktgewichtung im Rahmen von Kosten-Nutzen-Bewertungen in seinen Methodenpapieren teilweise mitgetragen.
Diskussion: Hinter der Nutzen-Schaden-Abwägung verbirgt sich der Versuch, Aussagen hinsichtlich des Mehrwertes innovativer Gesundheitstechnologien wie beispielsweise neuentwickelte Arzneimittel zu treffen. Da durch diese Abwägungen Erstattungsentscheidungen unter anderem beeinflusst, wenn nicht determiniert, werden, ist die Bedeutung transparenter und methodisch akzeptierter sowie legitimierter Abwägungsansätze von höchster Bedeutung für die Patientenversorgung. Dies auch um weder den Interessen allein der Kostenträger noch der Entwickler ausgeliefert zu sein. Für die Versorgungsforschung öffnet sich hier ein neues Betätigungsfeld: Das der Patienten-Präferenzbasierten Nutzen-Schaden-Abwägung.