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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Versorgungsforschung als Grundlage für Allokationsentscheidungen?

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Dominik von Stillfried - ZI für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland, Berlin, Deutschland

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocT3-11-415

doi: 10.3205/13dkvf027, urn:nbn:de:0183-13dkvf0278

Published: October 25, 2013

© 2013 von Stillfried.
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Versteht man Versorgungsforschung mit Pfaff (2003) als die Analyse der „letzten Meile“ im Gesundheitswesen, so geht es in der Versorgungsforschung darum, zu beschreiben welche Angebote des Gesundheitswesens bei der Bevölkerung in welchem Umfang ankommen und die gefundenen Muster erklären zu können. Allokationsentscheidungen, die auf Ergebnissen der Versorgungsforschung basieren, würden demnach darauf zielen, die vorgefundenen Inanspruchnahme- und Versorgungsmuster je nach deren Bewertung zu verstärken oder abzuwandeln.

Hier wird die These vertreten, dass das SGB V bisher keine zwingende Verankerung wesentlicher Allokationsentscheidungen in der Versorgungsforschung vorsieht. Zwar bieten der morbiditätsbezogene Risikostrukturausgleich zwischen den Krankenkassen, die Vergütungsreform in der vertragsärztlichen Versorgung sowie die Reform der Bedarfsplanung wichtige Ansätze. Alle drei Handlungsfelder basieren auf einem Populationsbezug und erfordern Analysemethoden zur Darstellung der „letzten Meile“ des Gesundheitssystems. Inwiefern den Methoden und Ergebnissen der Versorgungsforschung derzeit aber auch praktisch entscheidungsbegründende Bedeutung für die Ressourcenallokation zukommt, muss hinterfragt werden.

Besondere Anforderungen an die Nutzung von Methoden der Versorgungsforschung stellen die Kriterien in § 87a SGB V zur jährlichen Bestimmung der vertragsärztlichen Gesamtvergütungen. Exemplarisch werden einige methodische Herausforderungen bei der Bestimmung des morbiditätsbedingten Behandlungsbedarfs, des durch Leistungsverlagerung bedingten Behandlungsbedarfs sowie von Art und Umfang förderungswürdiger Leistungen dargelegt und diskutiert.

Komplexe Verfahren der Versorgungsforschung erscheinen derzeit nur bedingt geeignet, bei widersprüchlichen Interessenlagen im Rahmen der bisherigen Verhandlungsverfahren zu einer Lösung beizutragen. Somit steigen die Anforderungen an Schiedsämter und ggf. Gerichte, die dann im Streitfall Vertragsinhalte festzusetzen haben.

Praktisch ist jedoch zu beobachten, dass Verhandlungslösungen grundsätzlich vom Ergebnis her definiert werden, und dass auch Schiedsentscheidungen meist von einer Einschätzung der Angemessenheit des Ergebnisses bestimmt sind. Deshalb muss mit Blick auf die Eingangsfrage diskutiert werden, ob im deutschen Gesundheitswesen eine Verhandlungs- und Entscheidungskultur möglich wäre, in der die Entscheidungsträger methodenbasiert und ergebnisoffen Verfahrensbeschlüsse treffen bzgl. der konkreten Verfahrensergebnisse, um deren Ergebnisse dann - ggf. nach Anwendung der Methoden durch Dritte - gegen sich gelten zu lassen (vgl. „Schleiers des Nichtwissens“ im Theorieansatz von John Rawls).


Literatur

1.
Pfaff M. Versorgungsforschung – Begriffsbestimmung, Gegenstand und Aufgaben. 2003.
2.
Pfaff, et al. Gesundheitsversorgung und Disease Management. Grundlagen und Anwendungen der Versorgungsforschung. Bern u.a. p. 13-23.
3.
Rawls J. A Theory of Justice. Cambridge MA: Harvard University Press; 1999.