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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Wie wichtig ist Lebensqualität für Patienten – was ist zu tun?

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Hilde Schulte - Frauenselbsthilfe nach Krebs, Bundesverband e.V., Haus der Krebs-Selbsthilfe, Bonn, Deutschland

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocT1-15-451

doi: 10.3205/13dkvf004, urn:nbn:de:0183-13dkvf0049

Published: October 25, 2013

© 2013 Schulte.
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Der Begriff Lebensqualität ist fester Bestandteil in der onkologischen Versorgung. Er ist in allen Phasen einer Krebserkrankung von Bedeutung, in der Akutphase, der Nachsorge und im palliativen Bereich. Lebensqualität ist vielschichtig, sehr individuell und nicht so einfach zu definieren oder zu messen. Sie bedeutet für kranke Menschen grundsätzlich etwas anderes als für gesunde. Sie wird meist erst dann schmerzlich bewusst, wenn sie Einbußen erlitten hat oder verloren gegangen ist. Bei einer schwerwiegenden Erkrankung wie Krebs wird dies besonders deutlich. Die Diagnose wird von Betroffenen als lebensbedrohlich und unkontrollierbar wahrgenommen. Belastende, langwierige Therapien sind notwendig und wirken sich auf alle Lebensbereiche aus. Sie beeinträchtigen das physische, psychische und soziale Wohlbefinden in erheblichem Maße.

Die Einbrüche in der Lebensqualität zeigen sich in den verschiedenen Bereichen auf unterschiedliche Weise. Für die einen sind es z. B. tumor- oder therapiebedingte Schmerzen, die das Leben beeinträchtigen, für die anderen massive Ängste vor Siechtum und Tod. Die Reihe der Auswirkungen der Krebserkrankung auf die Lebensqualität ist lang.

Eine verminderte Lebensqualität kann den Krankheitsverlauf negativ beeinflussen. Sie bindet die Gedanken von Betroffenen, sie schwächt und raubt Kraft. Die persönlichen Ressourcen sind schnell verbraucht. Das kann bis hin zur Handlungsunfähigkeit führen. Bei reduzierter Lebensqualität sind Patientinnen nicht in der Lage, an der Erreichung des Therapiezieles mitzuwirken. Deshalb sollte oberstes Ziel aller Therapie und aller persönlichen Bemühungen sein, eine gute Lebensqualität zurück zu gewinnen.

Im Krankheitsverlauf können sich die Selbstwahrnehmung und die Sicht auf die Dinge ändern. Lebensqualität wird von anderen als den bisherigen und bei gesunden Menschen üblichen Faktoren bestimmt. Um zu dieser Einsicht zu gelangen, müssen Patientinnen einen weiten Weg zurücklegen. Manche gelangen mit den eigenen inneren und äußeren Ressourcen zu dieser Erkenntnis, andere wiederum brauchen professionelle Unterstützung, um eine Änderung in ihren Wertvorstellungen vornehmen zu können.

Manche erreichen, trotz erheblicher Einschränkungen infolge der Krebserkrankung, ein hohes Maß an Zufriedenheit und geben in Befragungen eine hohe Lebensqualität an. Sie haben sich an die neue, veränderte Situation anpassen können, kompensieren die Einschränkungen oder nehmen sie anders wahr. Andere wiederum, die einen vergleichsweise guten Gesundheitszustand haben, gelingt dies nicht. Sie beurteilen ihre Lebensqualität als schlecht.

Bei fortschreitender Erkrankung sind dieser Anpassungsprozess und die Formulierung neuer Ziele immer wieder erforderlich. Patientinnen brauchen in dieser Situation gute Begleiter, um diese Leistungen vollbringen zu können. Sie brauchen den Arzt als Berater, der offen eine Abwägung der unterschiedlichen Therapieoptionen mit ihnen vornimmt, die Qualität des Überlebens mit berücksichtigt und Nebenwirkungen nicht beschönigt. Für die meisten Patientinnen wären beispielsweise massive Nebenwirkungen und eine schlechte Lebensqualität als Preis für eine mögliche, geringe Lebensverlängerung zu hoch. Fakten, die Einfluss auf Entscheidungen für oder gegen eine Therapie haben können, dürfen daher keinesfalls verschwiegen werden.

Die Einschätzung der eigenen Lebensqualität erfolgt nach subjektiven Kriterien. Die Beurteilung stimmt nicht notwendigerweise mit derjenigen der behandelnden Ärzte überein. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, dass die Themen Lebensqualität und Therapieerwartungen Bestandteil der Arzt-Patienten-Kommunikation sind. Das Gespräch trägt dann nicht nur zu einer vertrauensvollen Beziehung bei, sondern auch zu einer individuelleren Therapie, die sich an den speziellen Bedürfnissen der Patientin orientiert.

In der Forschung hat sich bei der Messung von Therapiefortschritten die Lebensqualität als weiterer Parameter zu den bisherigen objektivierbaren Endpunkten „Überlebenszeit“ und „Rezidivfreiheit“ durchgesetzt. Im Medizinalltag muss der Lebensqualität der Patientin allerdings mehr Raum gegeben werden. Allein die Einbeziehung dieser Perspektive in die Arzt-Patienten-Kommunikation wirkt sich positiv auf die Lebensqualität der Patientin aus.

Fazit: Medizinischen Entscheidungen sind nur dann gut, wenn sie die Lebensqualität der Patientin berücksichtigen. Lebensqualität hat im gesamten Behandlungsverlauf einen sehr hohen Stellenwert und sollte regelmäßig erhoben werden. Bei Unterstützungsbedarf, mit der Diagnose „schlechte Lebensqualität“ müssen therapeutische Maßnahmen verbunden werden. Für die Bewertung des Nutzens von Medikamenten und Therapieverfahren ist es wichtig, den Aspekt der Lebensqualität mit einzubeziehen. Zudem müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es Ärzten ermöglichen, Patientinnen unter Berücksichtigung ihrer Lebensqualität zu behandeln und zu begleiten.