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10. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung, 18. GAA-Jahrestagung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.
Gesellschaft für Arzneimittelanwendungsforschung und Arzneimittelepidemiologie e. V.

20.-22.10.2011, Köln

Ärztlicher Umgang mit individuellen Gesundheitsleistungen: Defizite und Vorschläge aus Patientensicht

Meeting Abstract

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10. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. 18. GAA-Jahrestagung. Köln, 20.-22.10.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11dkvf020

doi: 10.3205/11dkvf020, urn:nbn:de:0183-11dkvf0204

Published: October 12, 2011

© 2011 Richter et al.
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Hintergrund: In Kassenarztpraxen werden immer häufiger individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) angeboten. Wurden 2001 noch 8.9% der GKV-Versicherten in den vergangenen zwölf Monaten individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) angeboten, so waren es 2010 bereits 28.3%. Der Markt hat sich seit 2005 nahezu verdoppelt. Verbindliche Definitionen, Abgrenzungen und Kataloge existieren nicht. In den vergangenen Jahren haben verschiedene Institutionen Informationen zusammengestellt, die Patienten in der konkreten IGeL-Situation zum kritischen Nachfragen befähigen sollen. Für die Ärzteschaft erstellte die Bundesärztekammer 2006 einen Codex zum Umgang mit IGeL, der auf dem diesjährigen Ärztetag erneut thematisiert werden soll. Zur Abschätzung der Prävalenzen, Leistungsarten, patientenseitigen Begründungen/Bewertungen sowie regionaler und soziodemographischer Determinanten von IGeL und Leistungsbegrenzungen führten wir 2007 eine repräsentative Bevölkerungsumfrage in Lübeck und Freiburg i.Br. durch. Individuelle Gesundheitsleistungen sind vielfältig, daher lassen sich einige Aspekte schwerlich leistungsübergreifend in Fragebögen erfassen. Um die Surveyergebnisse zu vertiefen und zu ergänzen, folgte der Umfrage eine qualitative Studienphase mit Fokusgruppen in beiden Städten. Die vorliegende Arbeit stellt die folgenden Kernfragen der Gruppendiskussionen vor:

  • Welche Defizite sehen Patienten im (ärztlichen) Umgang mit IGeL?
  • Welche konkreten Hinweise und Vorstellungen haben Patienten, wie Ärzte mit IGeL umgehen sollen?

Material und Methoden: Es wurden sieben leitfadengestützte Fokusgruppen durchgeführt. Sie waren nach Wohnregion, Geschlecht und Schulbildung stratifiziert, nach Alter und Gesundheitszustand homogenisiert. Die Fokusgruppen fanden im April und Mai 2008 werktags in Räumlichkeiten der Universitäten Lübeck bzw. Freiburg statt, dauerten etwa zwei Stunden (17.00-19.00 Uhr) und wurden jeweils von zwei Moderator/innen geleitet. Die Gruppendiskussionen wurden mittels digitalen Aufnahmegerätes aufgezeichnet, vollständig transkribiert und inhaltsanalytisch nach dem Ansatz des thematischen Codierens ausgewertet.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 778 Surveyteilnehmer (N=331 Freiburger, N=447 Lübecker) eingeladen, 132 waren zur Teilnahme bereit (17%). Aus ihnen wurden anhand der Stratifizierungs- und Homogenisierungskriterien sowie der feststehenden Termine die Gruppenteilnehmer selektiert. Fokusgruppenübergreifend thematisiert wurden patientenseitige Wünsche nach umfassender Aufklärung, nach neutralen IGeL-Informationen, nach transparenter Abgrenzung von IGeL und GKV-Leistungen, nach angemessener Informations- und Bedenkzeit, nach Einholung einer Zweitmeinung und nach transparenter Abrechnung für alle medizinischen Leistungen. Kein Gruppenkonsens bestand, wer IGeL initiieren und wer IGeL-Informationen erstellen solle. GKV-Versicherte wünschen sich transparente Informationen zum GKV-Leistungskatalog und IGeL-Informationen, die von neutraler Instanz erarbeitet werden sollten.

Schlussfolgerung: Die vorliegende Untersuchung exploriert unseres Wissens erstmalig die patientenseitigen Vorstellungen zum ärztlichen Umgang mit IGeL. Eine verbindliche Regulierung des Umgangs mit individuellen Gesundheitsleistungen erscheint dringend notwendig. Auf Basis der quantitativen und qualitativen Ergebnisse schlussfolgern wir patientenzentrierte Empfehlungen an verschiedene Adressaten.


Literatur

1.
Richter S, Raspe H. Wie sollen Kassenärzte mit individuellen Gesundheitsleistungen umgehen? Defizite und Vorschläge aus Patientensicht. Dtsch Arztebl. (in Vorbereitung).
2.
Richter S. Schlusswort zum Beitrag Richter S, Rehder H, Raspe H. Individuelle Gesundheitsleistungen und Leistungsbegrenzungen: Erfahrungen GKV-Versicherter in Arztpraxen. Dtsch Arztebl. 2010; 107: 8-9.
3.
Richter S, Rehder H, Raspe H. Individual health services and the denial of health services in German medical practices: prevalence, regional differences and socio-demographic influences. Eur J Public Health. 2009. DOI: 10.1093/eurpub/ckp145 External link
4.
Richter S, Rehder H, Raspe H. Individual health services and the limits to service provision in insurance registered German medical practices. Dtsch Arztebl Int. 2009; 106(26): 433-439. DOI: 10.3238/arztebl.2009.0433 External link