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Untersuchungen zum Inzidenzanstieg der Nekrotisierenden Fasziitis seit der COVID-19-Pandemie
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Published: | October 21, 2024 |
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Fragestellung: Die Nekrotisierende Fasziitis (NF) ist eine seltene, aber schwerwiegende Weichteilinfektion, welche durch eine floride Entzündung mit ausgeprägter Nekrose und rasanter Ausbreitung gekennzeichnet ist. Auf die erhebliche Zerstörung von subkutanem Gewebe folgt regelmäßig eine schwere Sepsis, die mit einer hohen Morbidität und einer Letalität von bis zu 40% einhergeht. In Westeuropa wird die Inzidenz auf 0,4 – 3,0/100.000 Einwohnerjahre geschätzt. Dementsprechende Fallzahlen konnten in unserer Klinik bis 2020 beobachtet werden. Gegen Ende und nach der COVID-19-Pandemie zeigte sich ein extremer Inzidenzanstieg. Ein Zusammenhang mit einer gesellschaftlichen Immundefizienz durch pandemiebedingte Hygienemaßnahmen ist nicht auszuschließen. Ziel dieser Studie war es, die erhöhte Inzidenz von NF-Fällen zu untersuchen, das klinische Bild mit NF vor COVID zu vergleichen und Schlussfolgerungen für die Therapie zu ziehen.
Methodik: Alle Patienten, die von 01.01.2013 bis 31.07.2023 in der Abteilung für Unfallchirurgie mit der Diagnose NF behandelt wurden, wurden in eine retrospektive Analyse eingeschlossen. Statistische Analysen wurden mit Prism GraphPad durchgeführt.
Ergebnisse und Schlussfolgerung: Insgesamt konnten 25 Patienten in die Studie eingeschlossen werden. Die Inzidenz der NF stieg von 0,6 p.a. vor COVID auf 6 p.a. seit Beginn der Pandemie und erreichte ein Maximum im Jahr 2023 mit einer 12-Monats-Prävalenz von 22 Fällen. Mikrobiologische Analysen ergaben 43% polymikrobielle und 57% monobakterielle Infektionen, hauptsächlich mit Gruppe A-Streptokokken. 67% der Patienten wurden innerhalb von 24 Stunden nach Aufnahme operiert (durchschnittliche Zeit bis zur Operation 8:49 h). Das Outcome war signifikant besser, wenn Patienten innerhalb von 6 Stunden nach Aufnahme operiert wurden. Gründe für eine spätere Operation waren milde Verläufe, Erstaufnahme in eine andere Abteilung oder Zuverlegung aus anderen Kliniken. Die Letalitätsrate lag bei 28,6% und die Amputationsrate der Überlebenden bei 40%. Die durchschnittliche Verweildauer im Krankenhaus betrug 55 Tage für intensivpflichtige und 28 Tage bei normalstationären Patienten. Der wichtigste Unterschied zwischen Prä- und Post-COVID NF war, dass 28% der betroffenen Patienten in der Post-COVID Zeit vor Auftreten der NF gesund waren, während alle Patienten mit Prä-COVID NF schwer vorerkrankt waren.
Die starke Inzidenzzunahme der NF deutet darauf hin, dass es eine Post-COVID NF geben könnte. Das klinische Bild entspricht dem bekannten Syndrom der NF, tritt allerdings auch bei zuvor gesunden Patienten auf. Es erscheint plausibel, dass eine gesellschaftliche Immundefizienz durch die pandemiebedingten Hygienemaßnahmen die Ursache für diese Entwicklung sein könnte. Trotzdem kann eine Kumulation der NF in unserem Zentrum der Maximalversorgung auch durch äußere Faktoren wie Personalmangel, wirtschaftlichen Druck und mangelnde Expertise in peripheren Krankenhäusern bedingt sein. Dies bedarf weiterer nationaler und internationaler Untersuchungen.