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German Congress of Orthopedic and Trauma Surgery (DKOU 2017)

24.10. - 27.10.2017, Berlin

24 Jahre Kindersitzpflicht in Deutschland – alles sicher, oder?

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Christian W. Müller - Medizinische Hochschule Hannover, Unfallchirurgische Klinik, Hannover, Germany
  • Heiko Johannsen - Medizinische Hochschule Hannover, Unfallchirurgische Klinik, Verkehrsunfallforschung, Hannover, Germany
  • Timo Stübig - Medizinische Hochschule Hannover, Unfallchirurgische Klinik, Hannover, Germany
  • Sebastian Decker - Medizinische Hochschule Hannover, Unfallchirurgische Klinik, Hannover, Germany
  • Christian Krettek - Medizinische Hochschule Hannover, Unfallchirurgische Klinik, Hannover, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2017). Berlin, 24.-27.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocWI23-324

doi: 10.3205/17dkou219, urn:nbn:de:0183-17dkou2199

Published: October 23, 2017

© 2017 Müller et al.
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Text

Fragestellung: Bereits 1993 wurde in Deutschland die Kindersitzpflicht in PKW für Kinder, die das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und kleiner als 150 cm sind, eingeführt. In dieser Studie untersuchen wir, wie sich in den Jahren ab 1999 im realen Unfallgeschehen Verletzungsrisiko und Verletzungsmuster darstellen. Als Basis für mögliche weitere Präventionsmaßnahmen werden Verletzungsmuster unfalltechnischen Parametern gegenübergestellt.

Methodik: Zwei Unfallforschungseinheiten dokumentierten prospektiv gemäß einer repräsentativen Stichprobe rund 2000 Unfälle pro Jahr hinsichtlich unfalltechnischer und medizinischer Parameter. Aus dieser Datenbank wurden von 1999 bis 2015 alle vollständig dokumentierten Unfälle mit PKW-Insassen zwischen 0 und 11 Jahren extrahiert und hinsichtlich Art der Kindersitznutzung, demographischer Parameter, Unfallkonstellation, Verletzungsschwere und Begleitverletzungen nach Abbreviated Injury Scale (AIS) und maximaler AIS (MAIS) retrospektiv analysiert. T-Tests für unverbundende Stichproben und ANOVA wurden mit SPSS Version 24 angewendet.

Ergebnisse und Schlussfolgerung: Es konnten 1897 als PKW-Insassen unfallbeteiligte Kinder eingeschlossen werden. Das Durchschnittsalter betrug 5,3 Jahre. Häufigster Kollisionspartner war ein anderer PKW (61,5%), häufigster Mechanismus ein Frontalanprall (11 Uhr bis 1 Uhr-Position) mit 49,9%. Die mittlere Kollisionsgeschwindigkeit betrug 16 km/h. Die mittlere MAIS betrug 0,39. 65,3% der Kinder waren unverletzt (MAIS 0). In 215/919 untersuchten Fällen (23,4%) war der Kindersitz nicht korrekt befestigt. Signifikante Verletzungen bestanden bei 47/1838 (2,6%) unfallbeteiligten Kindern, tödliche bei 2/1838 (0,1%). Bei den signifikant verletzten Kindern (MAIS >1) war der Aufprall gegen feste Objekte führend (61%), die mittlere Kollisionsgeschwindigkeit betrug 37 km/h. Schwere Verletzungen (MAIS 3-6) betrafen vor allem den Kopf (13) und Thorax (8). Schwerste und tödliche Verletzungen (MAIS 5-6) betrafen Kopf (5) und Abdomen (1). Tödliche Verletzungen betrafen ausschließlich den Kopf (2) und traten bei jüngeren Kindern auf (zwei und drei Jahre).

Insgesamt ist das Verletzungsrisiko für Kinder in PKW relativ gering. Fehler in der Handhabung der Kindersitze sind jedoch häufig und sollten durch verbesserte Bedienbarkeit und Schulung der Nutzer adressiert werden. Schädelhirnverletzungen dominieren bei den schweren und schwersten Verletzungen, Extremitätenverletzungen sind selten. Einzelfallbetrachtungen legen nahe, dass die in Deutschland im Gegensatz etwa zu Schweden übliche Positionierung des Kindersitzes in Fahrtrichtung bei jüngeren Kindern zu einer erhöhten Verletzungsschwere beitragen. Eine 2013 in Kraft getretene EU-Richtlinie schreibt die "Reboarder" bis zu einem Alter von 15 Monaten vor, allerdings können noch bis 2018 Kindersitze nach altem Recht zugelassen werden.