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Wachstumslenkung reicht hier nicht: Drei Entitäten, ein Ziel: Temporäre Hemi-epiphyseodese zum Aufhalten progredienter Varusfehlstellung bei Morbus Blount, Multipler epiphysärer Dysplasie and Focaler fibrocartilaginärer Dysplasie
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Published: | October 5, 2015 |
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Fragestellung: Eine varische Beinachse entspricht in jungen Jahren des Wachstumsalters der physiologischen Entwicklung. In der Kinderorthopädie sind jedoch zahlreiche Ursachen für patholgische Varusfehlstellungen der proximalen Tibia bekannt. Unter ihnen sind die seltenen Erkrankungen Morbus Blount, Multiple Epiphysäre Dysplasie und als Rarität die Fokale Fibrokartilaginäre Dysplasie. Sie erfordern eine operative Behandlung, die über die Wachstumslenkung durch Hemiepiphyseodese hinausgeht.
Methodik: Wir berichten über drei unterschiedliche Fälle von Kindern mit pathologischen Varusfehlstellungen der proximalen Tibia, die sowohl progredient als auch symptomatisch waren. Es handelt sich um je einen Fall eines Morbus Blount (MB), einer Multiplen Epiphysären Dysplasie (MED) Typ Fairbank (jeweils bilateral) und einer Fokalen Fibrokartilaginären Dysplasie (FFCD, unilateral). Eine lateralseitige Hemiepiphyseodese wurde bei allen durchgeführt. Die Intention war nicht, durch Wachstumslenkung eine Korrektur der Beinachsenfehlstellung herbeizuführen, sondern die Progredienz der starken Achsabweichung zu stoppen. Eine spätere, invasivere operative Therapie zur Beinachsenkorrektur war zusätzlich erforderlich bzw. gehörte jeweils zum Konzept.
Ergebnisse und Schlussfolgerung: Die Patienten waren zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung 2,7 Jahre (FFCD), 7,7 Jahre (MED) und 13,5 Jahre (MB) alt. Die Varusfehlstellung bzw. der MPTW (medialer proximaler Tibiawinkel) betrug zu Beginn der Therapie 76° (rechts, FFCD), 70°/ 69° (links/ rechts, MED) und 75°/ 69° (links/ rechts, MB). Die lateralseitige Hemiepiphyseodese an der proximalen Tibia und zusätzlich an der proximalen Fibula (MB und MED) wurde für 347 (FFCD), 564 (MED) und 743 Tage (MB) durchgeführt. Darunter konnte eine Veränderung der Varusfehlstellung von -7° (FFCD), -1°/ -3° (links/ rechts, MED), sowie -3°/ -1° (MB) festgestellt werden. Zur Korrektur der Beinachse wurde im Alter von 3,75 Jahren eine Lösung der Periostinklusion (FFCD) oder eine Aufrichtung mittels medialseitiger Hemiosteotomie mit Tutogen-Interposition und Schraubenosteosynthese mit 9,5 (MED) bzw. 15,5 (MB) Jahren durchgeführt. Dadurch wurden die tibialen Winkel auf 90° (FFCD), auf 87° (links; MED) und 90° (links; MB) korrigiert. Die kontralateralen Beine bei MED und MB stehen noch zur Operation an.
Nach unseren Erfahrungen ist eine Wachstumslenkung durch Hemiepiphyseodese auch bei starken Valgus- oder Varusdeformitäten möglich und sinnvoll, sofern keine strukturelle Schädigung der Wachstumsfuge vorliegt. Bei den hier demonstrierten seltenen Erkrangungen liegt eine Störung der Fuge jedoch vor, was eine zunehmende Fehlstellung zur Folge hat. Wachstumslenkung ist deswegen nur eingeschränkt möglich. Die Epiphyseodese kann jedoch sinnvoll eingesetzt werden, um ein Voranschreiten der Deformität aufzuhalten. Allgemeine Empfehlungen zur weiteren operativen Therapie, die zur Korrektur der Deformität notwendig ist, können aufgrund der Seltenheit der Erkrankungen und der individuellen Situation nicht gegeben werden.