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Die proximale Humerusfraktur bei Kindern und Jugendlichen: die konservative Versorgung als Gold-Standard
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Published: | October 5, 2015 |
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Fragestellung: Bei der proximalen Humerusfraktur im Wachstumsalter handelt es sich um eine seltene Fraktur, die häufig konservativ behandelt werden kann. Aufgrund der geringen Menge aktueller klinischer Studien besteht nach wie vor eine große Unsicherheit bezüglich der Indikationen für ein konservatives Vorgehen einerseits sowie für ein operatives Vorgehen anderseits. Neben den Behandlungsempfehlungen in Lehrbüchern und Publikationen gibt es eine S1 Leitlinie der AWMF.
Gegenstand der vorliegenden Studie war es nun, unsere Ergebnisse bei Behandlung dieser Frakturen mit den Empfehlungen der S1 Leitlinie zu vergleichen.
Methodik: Von 2005 bis 2014 wurden 90 proximale Humerusfrakturen von Kindern und Jugendlichen behandelt. 72 der Patienten (37 weibliche, 35 männliche Patienten) wurden konservativ behandelt. Die Auswertung erfolgte anhand der klinischen Daten sowie anhand der Unfall- und Verlaufs-Röntgenbilder; die Frakturen wurden gemäß der AO Kinder-Klassifikation eingeteilt.
Im Anschluss erfolgte die klinische Nachuntersuchung der Patienten. Inhalt dieser Nachuntersuchung war es, die funktionelle Beweglichkeit des Oberarms zu evaluieren sowie noch bestehende, frakturassoziierte Beschwerden zu dokumentieren. Dies erfolgte anhand des Constant-Murley-Scores. Die statistische Auswertung erfolgte mittels SPSS.
Ergebnisse und Schlussfolgerung: Das Alter der Patienten lag im Bereich von 5 Monaten bis 15 Jahren (durchschnittlich 9 Jahre), mit einem Häufigkeitsgipfel um das 11. bis 13. Lebensjahr (37,5% der Frakturen). Am zahlreichsten traten die Frakturen im September sowie in den Wintermonaten auf – hier war der Inzidenzanstieg insbesondere durch Stürze beim Ski- oder Snowboardfahren zu erklären. Weitere häufige Unfallmechanismen waren bei weiblichen Patienten ein Sturz vom Pferd (18,9%) sowie bei männlichen Patienten ein Unfallereignis beim Fußballspielen (17,1%). Ein häufiger Unfallort waren Spielplätze (15%). Seltener waren Verkehrsunfälle ursächlich, dann meist im Rahmen eines Polytraumas (6%). In fünf Fällen (6,9%) handelte es sich um pathologische Frakturen.
Es zeigten sich 27 gering (< 10°) dislozierte, 29 mäßig (10-30°) dislozierte und 12 stark (>30°) dislozierte Frakturen. Es wurden 21 der Kinder über die Empfehlungsgrenzen der S1 Leitlinie hinaus konservativ behandelt (16 Valgusfehlstellungen über 10° und 5 Kinder (>10 Jahre) mit einer Varusfehlstellung von mehr als 30°).
In der Nachuntersuchung konnten nach Anwendung des Constant-Murley-Scores überwiegend ausgezeichnete Ergebnisse festgestellt werden – unabhängig von Alter, Dislokationsausmaß sowie der bestehenden Begleiterkrankungen.
Die proximale Humerusfraktur im Wachstumsalter ist eine Domäne der konservativen Therapie. Empfehlungen für zu akzeptierende Dislokationsausmaße und Korrekturgrenzen wurden in einer S1 Leitlinie der AWMF ausgesprochen. Die eigenen Behandlungsergebnisse lassen jedoch vermuten, dass das Korrekturpotential im Bereich des proximalen Humerus noch weitaus größer ist.