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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2012)

23.10. - 26.10.2012, Berlin

Vermeidbare traumatische Todesfälle in Berlin 2010: Defizite oder Schicksal?

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Moritz T. Giesecke - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Berlin, Germany
  • Claas T. Buschmann - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Institut für Rechtsmedizin, Berlin, Germany
  • Klaus-Dieter Schaser - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Berlin, Germany
  • Michael Tsokos - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Institut für Rechtsmedizin, Berlin, Germany
  • Norbert P. Haas - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Berlin, Germany
  • Christian Kleber - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Berlin, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2012). Berlin, 23.-26.10.2012. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2012. DocWI59-1423

doi: 10.3205/12dkou356, urn:nbn:de:0183-12dkou3565

Published: October 2, 2012

© 2012 Giesecke et al.
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Text

Fragestellung: Der unfallbedingte Tod ist die dritthäufigste Todesursache in den westlichen Industrieländern. Durch kontinuierliche Innovationen in der Notfall- und Intensivmedizin konnte die Trauma-bedingte Letalität in den letzten Jahrzehnten in Deutschland gesenkt werden. Ziel der Untersuchung war die Analyse aller Trauma-assoziierten Todesfälle im Land Berlin hinsichtlich ihrer Vermeidbarkeit und der Effektivität unserer Rettungssysteme.

Methodik: In dieser prospektiven Observationsstudie wurden mit Hilfe der Staatsanwaltschaft Berlin alle im Jahr 2010 primär durch Trauma verstorbenen Personen im Land Berlin identifiziert. Alle Todesfälle durch unmittelbare Verletzungsfolgen wurden eingeschlossen (n=440). Ausgeschlossen wurden Verbrennung, Ertrinken, Erhängen und Personen, welche nicht primär am Trauma, sondern im klinischen Verlauf an Grunderkrankungen oder an einer nicht unmittelbar Trauma-assoziierten Komplikation (z.B. Thrombembolie, Pneumonie, Myokardinfarkt) verstorben waren. Datengrundlage bildeten Polizei- und Krankenhausakten, sowie Obduktionsprotokolle. Die Beurteilung der Vermeidbarkeit erfolgte durch ein interdisziplinäres Review-Komitee adaptiert nach der von Shackford et al. vorgeschlagenen Einteilung in nicht vermeidbare (NV), potentiell vermeidbare (PV) und vermeidbare (V) Todesfälle [1].

Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Eine Obduktion erfolgte in 60% (n=264). 84,4% (n=224) der traumatischen Todesfälle wurden als NV eingestuft, 9,1% (n=24) als PV und 6,1% (n=16) als V. 62,5% (n=10) der V und 95,8% (n=23) der PV passierten präklinisch. Die Inzidenz von Schädelhirntraumata war bei PV und V geringer als bei den NV. Verbluten war bei PV und V häufiger die Todesursache als bei NV (67,5% vs. 12,9%). Von den PV waren 37,9% (n=9) Gewaltverbrechen und jeweils 29,2% (n=7) Suizide und unbeobachtetes Trauma.

In 4 Fällen verstarben Patienten nach stationärer Aufnahme durch eine nicht erkannte, innere Blutung. Bei 2 weiteren Patienten wurden letztlich tödlich blutende Beckenfrakturen initial übersehen. 2 Patienten verstarben präklinisch aufgrund insuffizienter externer Blutstillung. Bei 4 der als V eingestuften Fälle lag ein nicht diagnostizierter bzw. nicht entlasteter Spannungspneumothorax vor.

Die Traumasterblichkeit in Berlin ist, verglichen mit der Literatur, sehr niedrig. Trotzdem wurden 6,1% der obduzierten traumatischen Todesfälle als vermeidbar eingestuft. Durch adäquate präklinische Dekompression bei Spannungspneumothorax, präklinisches Management externer Blutungen und den diagnostischen Ausschluss innerer Blutungen kann die Mortalität nach Trauma weiter gesenkt werden. Hauptansatzpunkt zur Senkung der Traumasterblichkeit muss die Prävention bleiben, da die Mehrheit der primär durch Trauma versterbenden Personen an nicht überlebbaren Verletzungen verstirbt, die auch durch optimales Management nicht behandelbar sind. Der geringe Anteil (potenziell) überlebbarer Verletzungen am Gesamtkollektiv spricht für die hohe Qualität der Traumaversorgung in Berlin.


Literatur

1.
Shackford SR, Hollingsworth-Fridlund P, McArdle M, Eastman AB. Assuring quality in a trauma system. The medical audit committee: Composition, costs, and results. J Trauma. 1987.