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Geschlechtsspezifische Unterschiede bieten weiblichen Patienten nach schwerer Mehrfachverletzung keinen Überlebensvorteil – eine Matched Pair Analyse
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Published: | October 15, 2009 |
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Fragestellung: Weibliches Geschlecht soll mit besserem Überleben und geringerem Risiko für posttraumatisches Organversagen (OV) und Sepsis assoziiert sein. Aus dem Bereich der DGU liegen bisher keine epidemiologischen Daten hierzu vor. Wir befragten deshalb das Traumaregister der DGU (DGU-TR) nach geschlechtsspezifischen Unterschieden.
Methodik: Aus 29.353 Fällen der Jahre 1993 - 2006 wurden 20.288 primärversorgte Fälle mit einem Injury Severity Score (ISS) >9 prospektiv und multizentrisch im DGU-TR erfasst. Für eine Matched-Pair-Analyse wurden daraus unter Berücksichtigung von Mechanismus (stumpf/penetrierend), Verletzungsschwere an Kopf, Thorax, Abdomen und Extremitäten nach Abbreviated Injury Scale (AIS), Vorliegen eines Schocks (präklinisch Blutdruck systolisch [RRsys] ≤90mmHg) und Altersgruppe (≤15Jahre, 16–44J., 45–54J., 55–64J., 65–74J., ≥75J.) 3887 Paare mit je einem männlichen (M) und einem weiblichen (W) Patienten gebildet. Wir untersuchten Überleben, OV, Sepsis, Gesamtliegedauer (LOS), Liegedauer auf Intensivstation (ICU), Beatmungsdauer, Unterschiede in der präklinischen und der Schockraumversorgung, Alter, Vorerkrankungen, RRsys, Aufnahmelabor (Hämoglobin [Hb], Basenüberschuss [BE], Thromboplastinzeit [Q] und partielle Thromboplastinzeit [PTT]). Wir verwendeten bei quantitativen Daten den T-Test, bei kategorischen Daten den Chi2-Test. Statistische Signifikanz wurde bei p<0.01 (*) angenommen. Angegeben sind Mittelwerte.
Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Die Paare waren vergleichbar für Alter, ISS und Vorerkrankungen. Frauen hatten weniger Sepsis (6,7% vs 9,1%*), Einzel-OV (33,1 vs 36,3%*), OV Lunge (15,6 vs 19,8%*) und Multi-OV (17,6 vs 21,8%*). Mortalität (M:17,8%, W: 16,1%), sepsisbezogene Mortalität (M: 21,8%, W: 18,3%) und LOS (M: 26d; F: 25d) waren gleich. Männer lagen länger auf ICU (11d vs 9d*) bei längerer Beatmungszeit (7d vs 5d*). RRsys (präklinisch und bei Aufnahme) und Hb waren bei Frauen niedriger (*). Kein Unterschied bei BE, Q und PTT. Häufiger präklinische Thoraxdrainage (TD) bei Männern (5,5% vs 4,1%*). Intubationsraten, Katecholamingabe, Volumentherapie, Analgosedierung und Reanimation präklinisch ohne Unterschiede. Operationen fanden bei Männern häufiger statt (79,7% vs 76,4% *), Volumentherapie im Schockraum sowie Transfusionsraten ohne Unterschied.Frauen haben ein geringeres Risiko für Sepsis und OV nach schwerem Trauma. Trotz niedrigerem RRsys und Hb findet sich kein Unterschied in der Schocktherapie. Es könnte sein, dass Frauen Schockzustände besser tolerieren. Durch höherer OP-Raten haben Männer vielleicht auch eine stärkeren Systembelastung. Sie scheinen anfälliger für pulmonale Komplikationen, Sepsis und Organversagen. Trotz dieser Unterschiede bietet weibliches Geschlecht aber offenbar keine Überlebensvorteile nach schwerer Unfallverletzung.