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Die sakrale Neuromodulation zur Therapie einer neurogenen Harntrakt- und Darmfunktionsstörung bei Multisystematrophie
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Published: | November 20, 2024 |
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Einleitung: Die Multisystematrophie (MSA) ist eine neurodegenerative Erkrankung, die extrapyramidale, pyramidale, zerebelläre und autonome neuronale Netzwerke betrifft. Viele Patienten mit MSA haben bereits vor der Diagnose Harntraktsymptome. Führende Symptome sind die einer überaktiven Blase einschliesslich einer Dranginkontinenz. Eine unvollständige Blasenentleerung ist häufig. Die konservative Therapie ist meist unbefriedigend. Anticholinergika und Alpha-Blocker werden oft nicht gut vertragen. Viele Patienten leiden unter Verstopfung und Stuhlinkontinenz. In dieser Studie haben wir die Wirkung der sakralen Neuromodulation zur Behandlung von Harntrakt- und Darmfunktionsbeschwerden bei acht Patienten mit fortgeschrittener MSA untersucht.
Methode: Acht Patienten (4 Frauen, 4 Männer, Durchschnittsalter 53, Spanne 45-61 Jahre) mit Harnwegs- und Darmbeschwerden wurden urodynamisch untersucht. Nach erfolgloser konservativer Therapie unterzogen sich diese Patienten einer perkutanen Teststimulation der Sakralnerven S3 und S4 beidseits. Das Testprotokoll über acht Tage umfasste eine unilaterale und bilaterale Stimulation mit Frequenzen von 3 bis 120 Hz. Der Test galt als erfolgreich, wenn eine Symptomreduktion von 50% oder mehr erreicht wurde.
Ergebnisse: Es wurden 7 von 8 Patienten nach erfolgreichem Test implantiert (4 unilateral S3 rechts, 3 bilateral S3 rechts und S4 links). Nach zwei Monaten zeigte 6 von 7 Patienten eine Symptomreduktion von 50% oder mehr. Bei einem Patient wurde eine verzögerte Reaktion beobachtet, eine Verbesserung von 50% trat nach neun Monaten und der zweiten Programmierung ein. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 35 (Spanne 21-102) Monate. Es wurde 44 Nachbeobachtungsbesuche (5 bis 9 pro Patient) analysiert, bei 19 Besuchen wurde eine Neuprogrammierung durchgeführt. Bei 36 von 44 Besuchen wurde eine Symptomreduktion von 50% oder mehr festgestellt. Bei einer Patientin wurde der Stimulator 55 Monate nach der Implantation aufgrund der Batterieentladung gewechselt. Der positive Effekt auf die Harnwegssymptome blieb über mediane 18 (Spanne 12 bis 61) Monate erhalten. Aufgrund des nachlassenden Effekts der Stimulation und der Verschlechterung des Allgemeinzustands erhielten fünf Patienten einen suprapubischen Katheter. Anfangs berichteten drei Patienten über Darmbeschwerden (2x Verstopfung, 1x Verstopfung und Stuhlinkontinenz). Während der Nachbeobachtung begannen auch die übrigen vier implantierten Patienten, Darmbeschwerden zu entwickeln (alle Verstopfung, zwei zusätzlich Stuhlinkontinenz). Nach Ablauf der Wirkung der Stimulation auf die Harnwegssymptome konnten bei vier Patienten telefonische Umfragen sechs und zwölf Monate danach durchgeführt werden. In beiden Nachbeobachtungen gaben diese Patienten an, dass die sakrale Neuromodulation immer noch zur Erleichterung der Stuhlentleerung dient.
Schlussfolgerung: Diese Pilotstudie ist der erste Bericht in der medizinischen Literatur über die Wirkung der sakralen Neuromodulation auf neurogene Harntrakt- und Darmfunktionsstörungen bei Patienten mit fortgeschrittener MSA. Die Neuromodulation Sakralnerven S3 und S4 kann eine wertvolle Option nach erfolgloser konservativer Behandlung sein. Mit dem Fortschreiten der Krankheit kann jedoch die Wirksamkeit abnehmen, und eine zusätzliche Therapie erforderlich sein. Größere Studien sind notwendig, um die Langzeitwirksamkeit zu untersuchen und Kriterien für die Patientenauswahl und die Stimulationsparameter besser bewerten zu können.