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32. Kongress der Deutschen Kontinenz Gesellschaft

Deutsche Kontinenz Gesellschaft e. V.

05. - 06.11.2021, online

Blasenauslassobstruktion, relative Harnröhrenenge und OAB-Symptomatik der Frau - einfache Diagnose und Therapie

Meeting Abstract

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  • corresponding author presenting/speaker Gerd Mohnfeld - Evangelische Kliniken Gelsenkirchen, Gelsenkirchen, Deutschland

Deutsche Kontinenz Gesellschaft e.V.. 32. Kongress der Deutschen Kontinenz Gesellschaft. sine loco [digital], 05.-06.11.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc13

doi: 10.3205/21dkg13, urn:nbn:de:0183-21dkg130

Published: November 4, 2021

© 2021 Mohnfeld.
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Einleitung: Auf dem Kongress der Deutschen Kontinezgesellschaft 2018 in Stuttgart wurden 440 externe Meatotomien und dem Kongress 2019 in Essen 283 Urethrotomien nach Otis bei relativer Harnröhrenenge mit OAB-Symptomatik vorgestellt. Der Gesamterfolg für beide Methoden lag über 70% [1], [2].

Seit Jahrzehnten sind bekannte Grundkenntnisse zu diesem Themenkomplex nicht weiterverfolgt und im klinischen Alltag vernachlässigt worden. Das Pro und Kontra blieb ohne abschließende Bewertung und verbindliche Empfehlungen. Somit fehlt für die OAB-Symptomatik der Frau (früher urethrales Syndrom, Reizblase, Drang, Pollakisurie, rezidivierende HWI, seit 2002 OAB) eine einfache und erfolgreiche Diagnose und Therapie [3]. Nach Definition der ICS wird für die OAB-Diagnose auch der Frau der Ausschluss einer infravesikalen Obstruktion gefordert, der aber kaum noch erfolgt. Mit der Wiederbelebung dieser Methoden und wissenschaftlichen Überprüfung nach heutigem Standard kann ein relevanter Fortschritt für die Versorgung von Frauen mit OAB-Symptomatik begonnen werden.

Methode: Auch vor Evidence Based Medicine, den RCTs und Leitlinien wurde die infravesikale Obstruktion als Ursache für Beschwerden des unteren Harntrakts beschrieben. Bei der komplexen Anatomie, Pathophysiologie und Pathologie, extrinsisch und intrinsisch, des Beckenbodens der Frau, konnte kein Konsens zur Diagnose und Therapie definiert werden [4], [5], [6]. Auch exakte naturwissenschaftliche urodynamische Untersuchungen konnten für die individuelle Patientin keine sichere Korrelation für die infravesikale Obstruktion (BOO) mit OAB-Symptomatik und die Indikation für eine operative Therapie erstellen [7].

Deswegen wurden bei unseren ambulanten urogynäkologischen Untersuchungen von 1999-2009 für 1906 Patientinnen bekannte Untersuchungsmethoden angewandt, die bereits seit 15 Jahren für die Routinediagnostik etabliert waren:

vaginale Untersuchung mit getrennten Spekula, Zysturethrotonometrie, Beckenboden-EMG, Harnröhrenkalibrierung mit Bougie-a-Boule, Cysturethroskopie, Uroflow mit einfacher Flow-Messung. Die urodynamischen Messergebnisse wurden zur pathophysiologischen Zuordnung von motorischer und sensorischer Dranginkontinenz verwendet und zur Diagnose eines erhöhten UVD.

Angepasst an die individuellen Befunde erfolgte die Urethrotomie bei narbiger Urethra (postoperativ oder nach Radiatio), interne Enge (unbekannte Aetiologie, Atrophie) und erhöhtem Urehtraverschlussdruck (UVD) >70-160 cm H₂O mit einer Weite von 30-34 CH des Otis-Instruments auf 6 Uhr [8].

Bei einer externen Meatusstenose wurde die Meatotomie ebenso auf 6 Uhr mit feinem Präparierbesteck durchgeführt und die Schnittränder mit Vicryl-Rapid-3.0 adaptiert. Der großlumige DK wurde nach Kontrolle der restharnfreien Entleerung entfernt. Intra- oder postoperative Komplikationen wurden bei der Nachuntersuchung nicht festgestellt oder gemeldet [9].

Die Meatotomie und Urethrotomie erfolgten jeweils isoliert und vor jeder anderen Therapie, die sich aus der gesamten Diagnostik ergab. Somit konnten die kausale Wirkung und der Erfolg dieser Methode bewertet werden.

Der Therapieerfolg wurde nach Angaben der Patientinnen bei der Nachuntersuchung registriert und bei 50% Besserung mit „gut“ und bei deutlich mehr als 50% mit „sehr gut“ bewertet.

Ergebnisse: Bei 440 externen Meatotomien konnten 304 Nachuntersuchungen durchgeführt werden, 21 wurden nicht dokumentiert, 115 nicht zur Nachuntersuchung vorgestellt.

Von 304 Patientinnen berichteten 115 (38%) ein gutes und 144 (47%) ein sehr gutes Ergebnis und 45 (15%) keinen Erfolg. Die gesonderte Auswertung von 122 Meatotomien bei Dranginkontinenz ergab:

  • sensorisch: n=65 bei 46 Nachuntersuchungen (19 ohne Nachuntersuchung): 20 (43%) mit gut und 19 (41%) mit sehr gut, ohne Erfolg 7 (15%)
  • motorisch: n=57 bei 49 Nachuntersuchungen (8 ohne Nachuntersuchung): 17 (35%) mit gut und 19 (39%) mit sehr gut, ohne Erfolg 13 (26%)

Von 283 Urethrotomien nach Otis konnten 148 Nachuntersuchungen dokumentiert werden. Davon wurden 69 (47%) mit „sehr gut“ und 68 (46%) mit „gut“ bewertet. Ohne Besserung blieben 11 (7%). Zusätzlich wurden 4 Untergruppen ausgewertet:

1.
erhöhter UVD gesamt n=59, davon 26 dokumentiert und 12 (46%) sehr gut und 11 (42%) mit gut und 3 (12%) ohne Besserung.
2.
narbige Urehtra: n=53 davon 33 Nachuntersuchungen, sehr gut 16 (48%), gut 14 (42%), ohne Erfolg 3 (9%)
3.
Urgeincintinence motorisch n=48 25 mit Nachuntersuchung, sehr gut 12 (48%), gut 8 (32%), ohne Erfolg 5 (20%)
4.
Urgeincontinence sensorisch: n=43, 20 mit Nachuntersuchung, sehr gut 12 (60%), 8 (40%) gut

Schlussfolgerung: Die relative Harnröhrenenge mit Blasenauslassobstruktion ist die häufigste Ursache für eine OAB-Symptomatik der Frau. Eine Meatusenge oder eine narbige, starre Urethra oder funktionelle Obstruktion durch einen erhöhten UVD kann sicher und einfach diagnostiziert werden.

Nur die Kombination einer relativen Enge und einer OAB-Symptomatik führt zu der empirischen Diagnose einer BOO.

Die Therapie erfolgt mit einer externen Meatotomie oder Urethrotomie nach Otis. Diese sollte nicht wie beim Mann auf 12 Uhr, sondern entsprechend der weiblichen Anatomie auf 6 Uhr erfolgen.

Bei 440 externen Meatotomien und 283 Urethrotomien wurden keine Komplikationen festgestellt oder gemeldet. Die Erfolgsrate ist bei den dokumentierten Nachuntersuchungen >80% und beim geschätzten Gesamterfolg >70%.

Damit kann vielen Frauen eine langwierige und weniger erfolgreiche Therapie erspart werden, die auf eine OAB-Diagnose erfolgen würde.

Die Ergebnisse dieser umfassenden klinischen Daten einer retrospektiven Auswertung sollten von zertifizierten Zentren nach heutigen wissenschaftlichen Kriterien evaluiert werden. Somit kann eine vernachlässigte Methode im klinischen Alltag ihre gebührende Bedeutung erhalten.

Diese Schlussfolgerungen werden auf diesem Kongress von Experten nach wissenschaftlichen urologischen und urodynamischen Kriterien überprüft und bewertet.

Mit ihrem aktiven Einsatz ist ein wesentlicher Fortschritt für die Versorgung von Frauen mit OAB-Symptomatik möglich.


Literatur

1.
Mohnfeld G. Externe Meatotomie – Eine vergessene Methode zur Behandlung relativer Harnröhrenenge und OAB-Symptomatik. Frauenarzt. 2019;60(4):226-230.
2.
Mohnfeld G. 283 Urehtrotomien nach Otis bei relativer Harnröhrenenge und OAB-Symptomatik aus einer Serie von 1906 urodynamischen Untersuchungen. In: Deutsche Kontinenz Gesellschaft e.V., Hrsg. 31. Kongress der Deutschen Kontinenz Gesellschaft. Essen, 22.-23.11.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc07. DOI: 10.3205/19dkg07 External link
3.
Abrams P, et al. The Standardisation of Lower Urinary Tract Function. Neurology and Urodynamik. 2002;21:167-178.
4.
Türoff JW, et al. Urethrotomie. In: Petri E, Kölbl H, Hrsg. Gynäkologische Urologie. Thieme; 2013. S. 195.
5.
Petri E. Meatustenose. In: Petri E, Kölbl H, Hrsg. Gynäkologische Urologie. Thieme; 2013. S. 325.
6.
Schreiner D, Perucchini D. Differentialdiagnose der OAB. In: Tunn R, Hanzal E, Perucchini D, Hrsg. Urogynäkologie in Praxis und Klinik. Waltzer de Gryter; 2010. S. 192.
7.
Groutz A, et al. Bladder Outlet Obstruction in Women. Neurology and Urodynamics. 2000;19:213-220.
8.
Worth PHL. Urethrotomy. In: Stanton SL, Tanagho EA, Hrsg. Surgery of female Incontinence. Springer; 1980. S. 145-151.
9.
de Geeter P. Meatusplastik. In: Albers P, Heidenreich A, Hrsg. Standardoperationen in der Urologie. Thieme; 2006. S. 383.