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30. Kongress der Deutschen Kontinenz Gesellschaft

Deutsche Kontinenz Gesellschaft e. V.

19.10. - 20.10.2018, Stuttgart

440 externe Meatotomien bei relativer Harnröhrenenge und OAB-Symptomatik aus einer Serie 1906 urodynamischer Untersuchungen – Eine retrospektive Auswertung

Meeting Abstract

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  • author presenting/speaker Gerd Mohnfeld - Evangelische Kliniken Gelsenkirchen, Gelsenkirchen, Deutschland

Deutsche Kontinenz Gesellschaft e.V.. 30. Kongress der Deutschen Kontinenz Gesellschaft. Stuttgart, 19.-20.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc21

doi: 10.3205/18dkg21, urn:nbn:de:0183-18dkg211

Published: November 2, 2018

© 2018 Mohnfeld.
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Text

Einleitung: Vor 40 Jahren war die externe Meatotomie mit Harnröhrenkalibrierung eine häufige urologische Operation. Diese Methode ist bei unkritischer Anwendung und geringem Erfolgsnachweis zunehmend aus dem klinischen Gebrauch verschwunden.

Zur Diagnose einer OAB muss nach ICS-Kriterien auch eine infravisikale Obstruktion ausgeschlossen werden. Die häufigste Ursache einer solchen Obstruktion ist bei der Frau die relative HR-Enge des meatus externus. Diese kann mit einer HR-Kalibrierung mit bougie à boule einfach gemessen werden. Im ambulanten und klinischen Alltag wird diese Untersuchung nicht mehr regelmäßig durchgeführt und in der Konsequenz eine externe Meatotomie nur noch selten angewandt.

Die OAB-Symptomatik ist qualitativ und quantitativ das häufigste Problem in der gyn-uro Sprechstunde. Sollte bei dieser Symptomatik eine relative HR-Enge als bedeutende Ursache gefunden werden, kann mit einer minimalen Operation eine aufwändige und teure Therapie vermieden werden.

Diese Hypothese lässt sich anhand von 1906 vollständigen urodynamischen Untersuchungen und 440 daraus indizierten Meatotomien belegen. Da bei allen Patientinnen die Kalibrierung durchgeführt wurde, ergeben sich auch Messwerte zur Harnröhrenweite.

Methode: In einer Serie von 1906 ambulanten gyn-uro Untersuchungen wurden bei allen Patientinnen die HR-Kalibrierung mit bougie à boule durchgeführt, die urodynamische Untersuchung mit Cystourethroskopie, Cystotonometrie, Urethradruckprofil mit und ohne Belastung, Uroflow, Beckenboden-EMG, sensorische und motorische Reaktion; die gynäkologische Untersuchung mit getrenntem Spekula und Beurteilung der drei Kompartimente, und in der speziellen Anamnese Hormonstatus, diverse Voroperationen, Descensus und Prolapsbeschwerden etc.

Urgency, Frequency und Nocturia wurden nach Intensität und Dauer der Beschwerden erfasst.

Bei den 440 Frauen mit OAB-Symptomatik und relativer HR-Enge, nachgewiesen mit der Bougierung und dem hinweisenden „Kalibersprung“ wurden in Lokalanästhesie mit einer externen Meatotomie behandelt. Diese minimale Operation wurde vor jeder weiteren Therapie durchgeführt. Bei 304 Patientinnen konnte mit einem Zeitabstand von zwei Monaten bis zu vier Jahren die Nachuntersuchung durchgeführt und nach Angaben der Patientinnen ausgewertet werden. Bei der Angabe von 50% Besserung wurde das Ergebnis mit „gut“ bewertet, bei mehr als 50% als „sehr gut“.

Ergebnisse: Bei 440 externen Meatotomien konnten 304 Nachuntersuchungen durchgeführt werden, 21 wurden nicht dokumentiert und 115 wurden nicht zur Nachuntersuchung vorgestellt.

Von 304 berichteten 115 (38%) ein gutes und 144 (47%) ein sehr gutes Ergebnis und 45 (15%) keinen Erfolg.

Die gesonderte Auswertung von 122 Meatotomien bei Dranginkontinenz ergab:

  • sensorisch: n=65, bei 46 Nachuntersuchungen (19 ohne Nachuntersuchung): 20 (43%) mit gut und 19 (41%) mit sehr gut bewertet, ohne Erfolg 7 (15%)
  • motorisch: n=57, bei 49 Nachuntersuchungen (8 ohne Nachuntersuchung): 17 (35% ) mit gut und 19 (39%) mit sehr gut bewertet, ohne Erfolg 13 (26%)

Bezogen auf die Gesamtzahl von 440 Meatotomien ist bei 259 (59 %) der Erfolg dokumentiert, für 45 (10%) keine Besserung. Wenn für 138 (32%) ohne Nachuntersuchung oder Dokumentation eine niedrige Besserungsrate von 50 % angenommen wird, wären das weitere 16% und somit ein Gesamterfolg von 75%.

Bei der HR-Kalibrierung zeigt sich eine HR-Weite von 16-26 Ch mit einem Maximum bei 22 Ch für die Meatotomien und einer HR-Weite von 19-30 Ch mit einem Maximum von 28 Ch ohne Meatotomie.

Schlussfolgerung: Die klinische Beobachtung bei 1906 ambulanten urogyn. Untersuchungen zeigt, dass die OAB-Symptomatik (Urgency, Frequency, Nocturia mit oder ohne Inkontinenz) häufig mit dem organischen Befund einer relativen Harnröhrenenge verbunden ist. Bei diesen häufigen und belastenden Symptomen kann mit einer einfachen Untersuchung, der Harnröhrenkalibrierung, die funktionell wirksame Meatusstenose diagnostiziert werden.

Nicht das absolute Maß der Harnröhrenenge in Charrière gemessen ist das entscheidende Kriterium, sondern der „Kalibersprung“.

Mit einer einfachen externen Meatotomie in Lokalanästhesie kann bei über 70% eine wesentliche Minderung der Beschwerden oder eine vollständige Beschwerdefreiheit erreicht werden.

Die Stärke dieser klinischen Beobachtung ist, dass sie über Jahrzehnte unter den aktuellen Kenntnissen der urodynamischen Fortbildung und der AGUB erfolgte, zu 99 % von einem Untersucher durchgeführt wurde und mit allen Ergebnissen in 20 Leitz-Ordnern dokumentiert ist.

Die Ergebnisse sollten von zertifizierten Zentren überprüft werden, auch zur Dauer des Therapieerfolges und zur Festlegung neuer Standardwerte für die Harnröhrenweite.

Die externe Meatotomie sollte vor jeder anderen geplanten Therapie erfolgen, um weniger erfolgreiche aber teure und risikoreiche Therapien zu vermeiden. Somit könnte für die OAB-Symptomatik, die qualitativ und quantitativ eine langwierige Belastung für die Patientin und die urogyn. Sprechstunde ist, eine alte Therapiemethode wiederbelebt werden.


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