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27. Jahreskongress der Deutschen Interdisziplinären Gesellschaft für Außerklinische Beatmung (DIGAB) e. V.

Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Außerklinische Beatmung (DIGAB) e. V.

23.05. - 25.05.2019, Kassel

Risikobewertung und Einwilligung in der Medizin – aus juristischer Sicht

Meeting Abstract

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  • Daniela Sprengel - Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, Juristische Fakultät

Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Außerklinische Beatmung (DIGAB) e.V.. 27. Jahreskongress der Deutschen Interdisziplinären Gesellschaft für Außerklinische Beatmung (DIGAB) e.V.. Kassel, 23.-25.05.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. Doc19digab09

doi: 10.3205/19digab09, urn:nbn:de:0183-19digab096

Published: May 13, 2019

© 2019 Sprengel.
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Hintergrund: Die Risikobewertung spielt im Medizinrecht an verschiedenen Stellen eine wichtige Rolle, es sollen Chancen und Risiken, Rechte und Pflichten in ein angemessenes Verhältnis gesetzt werden. Doch wie kann dies eigentlich gelingen? „Richtig“, „falsch“ und „objektiv“ sind Begriffe, die sich bei genauer Betrachtung kaum eignen. Zudem zeigt die Hirnforschung, dass wir keinesfalls so rational und „vernünftig“ entscheiden, wie wir gerne glauben.

Methodik: Als Einleitung sollen kleine Beispiele darlegen, dass Entscheidungsprozesse kaum rational verlaufen, sondern (auch) das Unterbewusstsein regiert. Die gängigen Ängste der Deutschen sind mit „realen“ Gefahren kaum zu begründen und beeinflussen die Risikobewertung des Einzelnen trotzdem. Im Gegenzug werden viele bestehende Gefahren des Alltags kaum entsprechend beachtet (etwa der Straßenverkehr). Trotz dieser Ausgangslage müssen Entscheidungen getroffen und Risiken abgewogen werden.

Im öffentlichen Recht stellt sich die Frage nach der Sicherheit in vielfältigen Ausprägungen, etwa bei der Zulassung von Medizinprodukten. Sie dürfen nur zugelassen oder genutzt werden, wenn sie die Gesundheit der Patienten nicht „über ein vertretbares Maß“ gefährden.

Im Zivilrecht muss im Rahmen des Behandlungsvertrags abgewogen werden: Für welche Chancen lohnen konkrete Gefahren für Leib und Leben? Sind neue Technologien gefährlicher als herkömmliche oder sogar sicherer? Nach dem sachlichen und verständlichen ärztlichen Aufklärungsgespräch kann der Patient für sich einwilligen.

Die Einwilligung des Patienten ist auch strafrechtlich relevant. So kann eine eventuelle Strafbarkeit des Arztes am sichersten entfallen. Grundsätzlich kann der Einzelne in Gefahren und Schäden für sich selbst einwilligen. Eine Grenze verbleibt aber: die Sittenwidrigkeit. Halten alle „billig und gerecht Denkenden“ die Gefahr einer Körperverletzung für unverhältnismäßig hoch, kann der Patient nicht wirksam in eine Behandlung einwilligen, obwohl nur er selbst davon betroffen ist.

Ergebnis und Fazit: Risikobewertungen sind höchst subjektiv und irrational. Der Einzelne kann für sich entscheiden bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit. Im öffentlichen Recht wird versucht, rationale Kriterien für nachvollziehbare Entscheidungen zu finden. Es muss vor Gefahren geschützt, aber nicht mit „unnötigen“ Verboten Chancen verhindert werden.