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26. Jahreskongress der Deutschen Interdisziplinären Gesellschaft für Außerklinische Beatmung (DIGAB) e.V.

Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Außerklinische Beatmung (DIGAB) e.V.

07.06. - 09.06.2018, Hannover

Nicht-invasive Beatmung für Kinder mit schwerer Zerebralparese – eine besondere Herausforderung?

Meeting Abstract

  • Ruth Grychtol - Klinik für Pädiatrische Pneumologie, Neonatologie und Allergologie, Medizinische Hochschule Hannover, Deutschland
  • Aidan Laverty - Great Ormond Street Hospital for Children, London, UK
  • Garry Rendle - Great Ormond Street Hospital for Children, London, UK
  • Victoria Robinson - Great Ormond Street Hospital for Children, London, UK
  • Elaine Chan - Great Ormond Street Hospital for Children, London, UK

Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Außerklinische Beatmung (DIGAB) e.V.. 26. Jahreskongress der Deutschen Interdisziplinären Gesellschaft für Außerklinische Beatmung (DIGAB) e.V.. Hannover, 07.-09.06.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18digab08

doi: 10.3205/18digab08, urn:nbn:de:0183-18digab082

Published: May 22, 2018

© 2018 Grychtol et al.
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Text

Hintergrund: Kinder mit spastischer Zerebralparese (ZP) haben ein erhöhtes Risiko für schlafbezogene Atmungsstörungen, insbesondere für obstruktives Schlafapnoesyndrom (OSAS). Nicht-invasive Beatmung wird zunehmend bei Kindern mit ZP angewendet, aber über Wirksamkeit und Risiko ist wenig bekannt.

Methodik: Retrospektive Auswertung aller Kinder mit Zerebralparese, bei denen zwischen 2010 und 2016 am Great Ormond Street Hospital for Children, London (GOSH) wegen schlafbezogener Atemstörungen eine Behandlung mit Heimbeatmung begonnen wurde.

Ergebnisse: Bei 20 Patienten (medianes Alter 11.1 Jahre, Bereich 1.7–16.1) mit schwerer Zerebralparese (Gross Motor Function Classification System IV–V) wurde nach Schlafdiagnostik (Polygraphie) eine nicht-invasive Heimbeatmung aufgrund folgender Diagnosen empfohlen: Schweres OSAS (15/20), moderates OSAS (1/20), chronische ventilatorische Insuffizienz (3/20), zentrale Apnoen (1/20). Insgesamt tolerierten nur 45% (9/20) der Patienten die Behandlung langfristig, was deutlich unter der sonstigen Erfolgsquote des Schlaflabors am GOSH liegt (55% abgebrochene Behandlungen versus 9% im übrigen Patientenkollektiv im gleichen Zeitraum). Bei den Patienten mit Zerebralparese lagen keine wesentlichen Unterschiede bezüglich wichtiger klinischer Merkmale (Schweregrad der geistigen/körperlichen Beeinträchtigung, Skoliose, Schluckstörung oder Epilepsie) zwischen Patienten mit guter beziehungsweise schlechter Toleranz vor. Bei 5/11 Patienten scheiterte schon der erste stationäre Versuch, während 6/11 Patienten langfristig eine unzureichende Adhärenz aufzeigten. Gründe für Beendigung der Behandlung bei diesen Patienten waren anhaltende Intoleranz trotz langem Bemühen oder Sekretprobleme, in 2/6 Patienten potentiell unzureichende Kontrolle des OSA mittels CPAP (continous positive airway pressure). Alle Patienten, die langfristig die Behandlung fortsetzen, zeigten eine gute Adhärenz (mediane Nutzung an 88% aller Nächte) und gute Kontrolle der schlafbezogenen Atmungsstörung. Systematische Erhebung bezüglich verbesserter Symptome oder verbesserter Lebensqualität liegen nicht vor, bei vier Patienten berichteten die Eltern von verbesserter Wachheit tagsüber. Zwei Patienten konnten während respiratorischer Infekte besser zu Hause behandelt werden. Schwerwiegende Nebenwirkungen wurden nicht gesehen. Vier Patienten starben während des Beobachtungszeitraums nach Beendigung der Beatmung (chronische respiratorische Insuffizienz bei 3 Patienten, unbekannt in einem Fall). Zwei weitere Patienten verstarben in der Gruppe mit Heimbeatmung (epileptischer Anfall, Sepsis).

Schlussfolgerung: Patienten mit schwerer Zerebralparese und schlafbezogenen Atmungsstörungen können erfolgreich mit nicht-invasiver Heimbeatmung behandelt werden, allerdings ist eine langfristig gute Adhärenz schwieriger zu erreichen als in anderen pädiatrischen Patientengruppen mit schlafbezogenen Atmungsstörungen. Komorbiditäten, wie sie bei Patienten mit Zerebralparese häufig vorkommen, sind hierfür nicht zwangsläufig verantwortlich. Schlaf- und Durchschlafstörungen, die bei Patienten mit geistiger Behinderung nicht selten sind, können zur Intoleranz beitragen, allerdings wurde dies nicht systematisch in unserem Patientenkollektiv untersucht. Weitere Studien bezüglich der positiven Effekte von nächtlicher Beatmung bei Patienten mit schwerer Zerebralparese sind wünschenswert, mit Berücksichtigung von Risiken und zusätzlicher pflegerischer Belastung für die Eltern. Eine individuelle Nutzen-Risiko-Abschätzung unter Einbeziehung der Vorstellungen und Wünsche der Eltern wird allerdings immer unabdinglich bleiben.