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Geschlechtsspezifische Einflüsse auf die inflammatorische Reaktion und das Outcome nach Polytrauma- eine retrospektive Analyse
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Published: | September 28, 2006 |
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Einleitung: Ein geschlechtsspezifischer Einfluss auf den klinischen Verlauf nach elektiven Operationen und die posttraumatische Entzündungsreaktion nach experimentellen Trauma konnte bereits nachgewiesen werden. Allerdings ist die Bedeutung des Geschlechts für die posttraumatischen Zytokinkonzentrationen und deren Assoziation mit der Inzidenz posttraumatischer Komplikationen beim polytraumatisierten Patienten noch weitestgehend unbekannt.
Methoden und Patienten: Im Rahmen einer retrospektiven Studie erfolgte die Analyse der Patientenakten der zwischen Januar 2001 und Mai 2004 in der Unfallchirurgischen Klinik der MHH behandelten, polytraumatisierten Patienten. Einschlusskriterien: Alter: 16-65 Jahre, ISS >16, Überleben >48 Stunden nach Trauma, kontinuierliche Bestimmung der Plasmakonzentrationen von TNF-α, IL-1β, IL-6, IL-8 und IL-10 über den intensivmedizinschen Verlauf. Die Einteilung der Patienten erfolgte anhand ihres Geschlechts und der Kombination aus Alter (≤50 vs. >50 Jahre) und Verletzungsschwere (ISS ≤25 vs. >25).
Ergebnisse: Signifikante Unterschiede bezüglich der demographischen Daten, des Verletzungsmusters und der Gesamtverletzungsschwere konnten zwischen den beiden Geschlechtern nicht nachgewiesen werden. Männliche Patienten mit einem Alter <50 Jahre und einem ISS >25 wiesen im Vergleich zu gleichaltrigen Frauen sowohl eine signifikant erhöhte Inzidenz eines MODS (M:F 35,1% vs. 7,1%) als auch ein signifikant vermehrtes Auftreten einer Sepsis (56,8% vs. 21,4%) nach Polytrauma auf. Ebenso zeigten sich bei diesen männlichen Patienten im Vergleich zu den Frauen in der initialen Phase nach Trauma signifikant höhere Plasmakonzentrationen der proinflammatorischen Zytokine IL-6 (Tage 1-4) und IL-8 (Tage 1-2), sowie des anti-inflammatorischen IL-10 (Tage 2-3 und 8-10). In der Altersstufe >50 Jahren konnten unabhängig von der Verletzungsschwere zwischen den Geschlechtern keine signifikanten Unterschiede bezüglich der Inzidenz posttraumatischer Komplikationen und der systemischen Zytokinkonzentrationen beobachtet werden.
Diskussion: Weibliche Patienten vor der Menopause scheinen ein signifikant niedrigeres Risiko zu tragen, posttraumatische Komplikationen (Sepsis und MODS) zu entwickeln. Eine mögliche Ursache hierfür könnten hormonelle Unterschiede zwischen Männern und Frauen sein, die mit einer Modulation der posttraumatischen Inflammation assoziiert sein könnten. Im weiteren prospektiven Studien muss geklärt werden, ob die Interaktion zwischen endokrinen System und Immunsystem eine mögliche Therapieoption für polytraumatisierte Patienten darstellen könnte. Allerdings muss dabei beachtet werden, dass auch andere Einflussfaktoren (z.B. genetische Prädisposition) die posttraumatische Immunreaktion nach Polytrauma beeinflussen können.