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67. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie
89. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie
44. Tagung des Berufsverbandes der Fachärzte für Orthopädie

11. bis 16.11.2003, Messe/ICC Berlin

Metaphysäre Instabilität und Plattenfixation: eine gefährliche Kombination

Kurzbeitrag (DGU 2003)

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  • Klaus Michael Stürmer - Klinik für Unfallchirurgie, Plastische und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum, Zentrum Chirurgie, Georg-August-Universität Göttingen

Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie. Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie. Berufsverband der Fachärzte für Orthopädie. 67. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie, 89. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie und 44. Tagung des Berufsverbandes der Fachärzte für Orthopädie. Berlin, 11.-16.11.2003. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2003. Doc03dguE2.3-2

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/meetings/dgu2003/03dgu0393.shtml

Published: November 11, 2003

© 2003 Stürmer.
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Die Problematik der metaphysären Frakturen begründet sich aus ihrer schwierigen Mittlerfunktion zwischen Gelenk und Schaft, der dort besonders gearteten Knochenstruktur sowie den hier stark wirksamen Muskelkräften. Im Alter kommt erschwerend hinzu, dass die Osteoporose den metaphysären Knochen frühzeitiger und nachhaltiger schwächt als den Gelenk- oder Schaftknochen. Im Bereich der Metaphyse sehen wir den Übergang vom meist sehr tragfähigen, dichten spongiösen Gelenkknochen, der aus der ursprünglichen Epiphyse hervorgeht, hin zum corticalen Röhrenknochen, was mit einer zunehmenden Rarifizierung der Spongiosastruktur und einer langsam kräftiger werdenden Corticalis einhergeht. Die gelenkführenden Muskeln arbeiten physiologisch im Wechselspiel von Agonisten und Antagonisten. Durch die metaphysäre Fraktur wird der Gegenhalt dieser Muskelgruppen unterbrochen, so dass die eine Muskelgruppe die Fragmente in ihre Richtung und die gegenwirkende Muskelgruppe in die andere Richtung verdrehen und verkippen.

Gelenkfrakturen müssen anatomisch exakt so stabil fixiert werden, dass die postoperative Bewegung des Gelenkes möglich wird. Dies kann nur durch Kompressionsosteosynthesen erreicht werden. Der fugenlos adaptierte und absolut stabil fixierte spongiöse Gelenkknochen heilt dann über Mikrokallus zwischen den Spongiosabälkchen.

Schaftfrakturen werden heute durch verriegelte Marknägel intramedullär, elastische Plattenosteosynthesen epiperiostal oder Fixateur externe osteosynthetisch achsen-, längen- und rotationsgerecht fixiert. Dabei erlauben diese Osteosynthesen unter funktioneller Beanspruchung Mikrobewegungen zwischen den corticalen Fragmenten und bewirken dadurch Kallusbildung.

Bei metaphysären Frakturen ist oftmals die Kombination beider Verfahren erforderlich, je nachdem, ob die Fraktur in das Gelenk hineinreicht oder Gelenk, Metaphyse und Schaft betrifft. Hier werden Kombinationsosteosynthesen erforderlich, die im Gelenk rigide und im Schaftbereich elastisch konzipiert sind. Eine besondere Hilfe sind hierbei heutzutage winkelstabile intramedulläre oder extramedulläre Implantate, die eine sekundäre Achsabweichung und nachfolgende Implantlockerung verhindern. Je näher die Fraktur zum Gelenkbereich liegt, desto weniger kann der Knochen mit periostaler Kallusbildung reagieren. Daher muss die Osteosynthese in diesem Bereich zunehmend rigider werden. Kommt es hier zu einer schleichenden Lockerung des Implantates mit zunehmender Instabilität, so ist der metaphysäre Knochen anders als der Schaftknochen nicht in der Lage, diese Instabilität durch zusätzliche periostale Kallusbildung zu kompensieren.

Die Problematik der metaphysär wirksamen Muskelkräfte sei beispielhaft an der proximalen Metaphyse der Tibia dargestellt, die aus diesem Grund biomechanisch eine der schwierigsten Frakturlokalisationen überhaupt darstellt. Die Streckung des Kniegelenkes erfolgt im wesentlichen über den Musculus quadriceps mit Ansatzpunkt an der Tuberositas tibiae. In Fortsetzung dieser Muskelkräfte in der ventralen Tibiakante besteht eine ständige ventrale Zuggurtung der Tibia, so lange diese intakt ist. Kommt es in Höhe oder unterhalb der Tuberositas tibiae zur Fraktur, so fällt diese ventrale Zuggurtung schlagartig weg, während die kräftigen Kniegelenksbeuger, insbesondere die beiden Köpfe des Musculus gastrocnemius als auch der Musculus soleus in ihrer entgegengesetzten Wirksamkeit voll erhalten bleiben. Die Fraktur klafft nach Wegfall der ventralen Zuggurtung ventral, es kommt zur Antekurvation und zur Verkippung der tibialen Kniegelenksebene im seitlichen Strahlengang nach hinten.

Alle Osteosynthesen, die die erforderliche ventrale Zuggurtungskomponente nicht ausreichend beinhalten, sind aus biomechanischer Sicht hochgradig gefährdet und führen in der Praxis vielfach zu Pseudarthrosen. Das klassische Beispiel ist die mit Verriegelungsmarknagel versorgte metaphysäre Tibiafraktur, die im weiteren Heilungsverlauf ventral zunehmend klafft und nach dorsal abkippt. Das gleiche Schicksal erleiden lateral oder medial angebrachte Plattenosteosynthesen, besonders dann, wenn sie sehr dorsal placiert sind. Die Lösung des Problems beseht bei der Marknagelung in einer zumindest vorübergehend angebrachten, ventralen Zuggurtungskomponente, sei es einer schmalen Zuggurtungsplatte oder ein vorübergehender ventraler Klammerfixateur. Plattenosteosynthesen können dann als ventrale Zuggurtungsplatte fungieren, wenn sie möglichst medial und ventral angebracht werden, soweit die Weichteildeckung dies erlaubt. Bei Korrektureingriffen kann der Zuggurtungseffekt durch den klassischen Plattenspanner optimiert werden. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die sichere Schraubenverankerung im gelenk-nahen Fragment. Dies kann heute durch winkelstabile Schrauben optimiert werden.

Zusammenfassend stellen die metaphysären Frakturen im wesentlichen ein biomechanisches Problem dar. Vascularisationsstörungen sind seltener als bei Schaftfrakturen. Für einige metaphysäre Bruchtypen gibt es auch heute noch keine als optimal zu bezeichnenden Implantate.