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Die komplexe offene Beckenfraktur - Evaluation eines Behandlungskonzeptes in der Primärversorgungsphase, Beckenstudie II der Arbeitsgruppe Becken der DGU / AO
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Published: | November 11, 2003 |
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Fragestellung
Komplexe Beckenverletzungen sind als Beckenfrakturen mit begleitendem Weichteilschaden definiert. Es sind seltene Verletzungen (ca. 10%) mit einer hohen Letalität (21,5%). Offene Beckenfrakturen stellen dabei die schwerste Form des komplexen Beckentraumas dar. Neben dem initialen Verblutungstod sind die Patienten insbesondere durch die sekundäre Keimbesiedelung gefährdet. Begleitende Weichteilverletzungen des Perianalbereiches stellen hierfür ein besonders hohes Risiko dar. Ein stufenweises Behandlungskonzept für die Behandlung der offenen Beckenverletzung scheint daher überlebensnotwendig zu sein.
Methoden
Im Untersuchungszeitraum 1998 - 2000 wurden prospektiv insgesamt 2569 Patienten mit Becken- und Acetabulumfrakturen dokumentiert. Ausgewertet wurde die Behandlungsstrategie und der primäre Verlauf bei offenen Beckenfrakturen.
Ergebnisse
1268 weibliche und 1301 männliche Patienten wurden komplett erfasst und ausgewertet. Das Durchschnittsalter lag bei 52,9 Jahren, die Verletzungsschwere betrug im Mittel 14,7 ISS - Punkte. Bei 227 Patienten (8,8%) lag ein komplexes Beckentrauma vor, bei 19 Patienten als offene Fraktur. In 6 Fällen handelte es sich um offene A-, in 11 Fällen um offene C-Frakturen und in 2 Fällen um offene Acetabulumfrakturen.
Angewandtes Therapieschema:
1. Sofortige Blutungskontrolle durch Stabilisierung des Beckenringes (Fixateur, Beckenzwinge).
2. Diagnose und primäre Therapie der pelvinen Begleitverletzung.
3. Anlage eines protektiven doppelläufigen Anus praeter bei begleitender Darm-/Analverletzung.
4. Planung und Durchführung des second look.
5. Sekundäre plastische Rekonstruktion der Weichteilverletzungen.
14 Patienten überlebten, 4 Patienten verstarben initial im MOV bei schwersten pelvinen Blutungen, ein 66 jähriger Patient (C3.2.2) verstarb im Intervall nach 3 Monaten im MOV bei Sepsis. Von den überlebenden 14 Patienten wurden 6 sofort definitiv osteosynthetisch versorgt (1x Schraubenosteosynthese bei offener Acetabulumfraktur, 2x Plattenosteosynthese Symphyse und ISG - Fuge bei C - Frakturen und 3x Schraubenosteosynthese bei Beckenschaufelfrakturen, in 2 Fällen wurde eine Beckenzwinge mit einem ventralen Fixateur externe kombiniert und sekundär definitiv osteosynthetisch versorgt. 6 offene A - Frakturen wurden mit einem ventralen Fixateur externe ausbehandelt. An Komplikationen traten im Verlauf bei 4 Patienten tiefe Weichteilinfekte auf. Bei einem Patienten mit offener C1.2.2 Fraktur und tiefem dorsalen Weichteilinfekt kam es im Verlauf trotz insgesamt 9 Revisionen zu einer sekundären Osteosynthesedislokation, bei den 3 anderen Patienten konnte der tiefe Weichteilinfekt ohne Komplikationen chirurgisch saniert werden.
Schlussfolgerungen
74 % der Patienten mit offener Beckenfraktur lassen sich durch ein stufenweises Behandlungskonzept erfolgreich behandeln. Insbesondere die Kombination aus primär operativer Stabilisierung und geplanten second look -Debridements reduziert schwerwiegende Komplikationen deutlich.