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Das primäre Sjögren-Syndrom ist mit vorzeitigem Schlaganfall assoziiert
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Published: | September 18, 2024 |
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Einleitung: Das primäre Sjögren-Syndrom (pSS) geht mit einem erhöhten Risiko für zerebrovaskuläre Ereignisse (CVE) einher [1], [2]. In einer pSS-Kohorte aus unserer Ambulanz wurde eine Verbindung zu einem frühzeitig (mit einem Medianalter von 55,2 Jahren) auftretenden Schlaganfall aufgezeigt [3]. Das Ziel der aktuellen Studie war, die Assoziation zwischen pSS und Schlaganfall im jüngeren Alter zu untersuchen und Unterschiede zwischen pSS-PatientInnen mit und ohne CVE bzw. CVE-PatientInnen mit und ohne pSS zu vergleichen.
Methoden: Von August 2018 bis September 2023 wurden 548 pSS-PatientInnen (nach Klassifikationskriterien der ACR/EULAR) sowie weitere 560 PatientInnen mit Hirninfarkten konsekutiv in die Studie aufgenommen. Für eine Gruppe der pSS-PatientInnen mit ≥1 CVE in der Anamnese (pSS-Apoplex) wurde mithilfe von Propensity-Scores Matching (PSM) nach Alter zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Studie zwei Kontrollgruppen im Verhältnis 1:3 gebildet: pSS KG (pSS ohne CVE) und Neuro KG (bestätigter Schlaganfall ohne pSS). Es wurde außerdem ein Vergleich der Daten von pSS-PatientInnen mit CVE <50 Jahren (juveniler Schlaganfall, JS) mit den Älteren (späterer Schlaganfall, SPS) unternommen. Die Daten wurden mittels standardisierter institutioneller Fragebögen und der Einsichtnahme in Patientenakten erhoben. Die statistische Auswertung erfolgte mittels SPSS 29 (IBM, Armonk, NY, USA).
Ergebnisse: 37/548 pSS-PatientInnen (6,8%) hatten ≥1 CVE, einschließlich ischämischer Schlaganfälle, in der Vorgeschichte. Jeweils 111 PatientInnen wurden nach Matching der pSS KG und der Neuro KG zugewiesen. Das Medianalter betrug in allen Gruppen 60 Jahre. In beiden Schlaganfallgruppen wurde im Vergleich zu pSS-Kontrollen eine signifikante männliche Dominanz beobachtet: 13/37 (35,1%) Männer in pSS-Apoplex, 52/111 (46,8%) in Neuro KG und nur 19/111 (17,1%) in pSS KG (p<0,001).
Das Medianalter beim Auftreten eines Schlaganfalls war in der pSS-Apoplex-Gruppe signifikant niedriger als bei PatientInnen in der Neuro KG (53 vs. 60 Jahre, p=0,042). Schlaganfälle in einem Alter <40 Jahren traten bei 7/37 (18,9%) der pSS-Apoplex-PatientInnen auf, verglichen mit nur 6/111 (5,4%) der PatientInnen in den Neuro-Kontrollen (p=0,041). Schlaganfälle zwischen 40–50 Jahren machten weitere 8/37 (21,6%) in der pSS-Apoplex-Gruppe aus, verglichen mit 17/111 (15,3%) der Neuro-Kontrollen. Die pSS-PatientInnen mit Schlaganfall <50 Jahren (15/37, 40,5%) waren im Durchschnitt 25 Jahre jünger als PatientInnen mit später auftretendem Schlaganfall (22/37, 59,5%) mit einem Medianalter von 41 vs. 66,5 Jahren (p<0,001).
Beim Vergleich kardiovaskulärer Risikofaktoren wurden Ähnlichkeiten zwischen pSS-Apoplex und Neuro KG festgestellt, während die pSS KG niedrigere Prävalenzen aufwies (Tabelle 1 [Tab. 1]).
Ein ESSDAI-Score >5 kam bei pSS-Apoplex signifikant häufiger im Vergleich zu pSS KG vor (p=0,012). Erwartungsgemäß zeigten sich signifikante Unterschiede insbesondere in den Domänen peripheres Nervensystem (PNS) (p=0,013) und zentrales Nervensystem (ZNS) (p<0,001). Der ESSPRI-Score war in beiden pSS-Gruppen ähnlich. Der Schmerzscore war jedoch bei pSS-Apoplex im Vergleich zur pSS KG signifikant höher (p=0,011). Polyneuropathien (p=0,006) und Vaskulitis (p=0,029) wurden häufiger in der pSS-Apoplex Gruppe festgestellt, passend zur neurologischen Manifestation.
Bemerkenswert ist, dass 18/37 (48,6%) der pSS-Apoplex-PatientInnen einen Schlaganfall noch vor pSS-Diagnosestellung erlitten. Dies war besonders bei JS-PatientInnen der Fall (p=0,070), obgleich alle diese PatientInnen bereits zum Zeitpunkt des CVE Sicca-Symptome aufwiesen. Die Zeitspanne zwischen Erstmanifestation der Symptomatik und der pSS-Diagnosestellung war in der JS-Gruppe mit einer medianen Dauer von vier Jahren deutlich verzögert, während sie bei PatientInnen, die zuerst pSS und später ein CVE entwickelten, kürzer als ein Jahr betrug (p=0,017).
PatientInnen mit früherem und späterem Schlaganfall zeigten keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf kardiovaskuläre Risiken oder Krankheitsaktivität, mit Ausnahme von Hypertonie, die erwartungsgemäß in der SPS-Gruppe höher war (Tabelle 2 [Tab. 2]).
JS-PatientInnen neigten im Vergleich zu den SPS-PatientInnen zu einer höheren Prävalenz einer Vaskulitis (3/15, 20% vs. 2/22, 9,1%) sowie zu einem erhöhten Auftreten von Thrombosen (4/15, 26,7% vs. 2/22, 9,1%). Die geringe Kohorten-Größe lässt keine statistische Auswertung zu.
Schlussfolgerung: Die Ergebnisse bestätigen eine Assoziation zwischen pSS und CVE, wobei die Schlaganfälle bereits in einem relativ jungen Alter von 53 Jahren auftraten. Der Hauptunterschied zwischen pSS-Apoplex und Neuro KG war das signifikant jüngere Alter zum Zeitpunkt des Ereignisses, während klassische kardiovaskuläre Risikofaktoren sehr ähnlich waren. Dieser Umstand deutet darauf hin, dass autoimmun-entzündliche Prozesse eine Rolle bei der Pathogenese der Schlaganfälle bei diesen PatientInnen spielen könnten. Bei pSS-Apoplex-PatientInnen war die pSS-Diagnosestellung häufig verzögert und nicht selten erst nach dem Schlaganfall, obwohl die Symptommanifestation bei allen PatientInnen bereits vor dem Ereignis bestand. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass ein Screening auf pSS insbesondere bei jüngeren PatientInnen mit Schlaganfall sinnvoll sein könnte.
Literatur
- 1.
- Bartoloni E, Baldini C, Schillaci G, Quartuccio L, Priori R, Carubbi F, Bini V, Alunno A, Bombardieri S, De Vita S, Valesini G, Giacomelli R, Gerli R. Cardiovascular disease risk burden in primary Sjögren's syndrome: results of a population-based multicentre cohort study. J Intern Med. 2015 Aug;278(2):185-92. DOI: 10.1111/joim.12346
- 2.
- Yong WC, Sanguankeo A, Upala S. Association between primary Sjögren's syndrome, cardiovascular and cerebrovascular disease: a systematic review and meta-analysis. Clin Exp Rheumatol. 2018 May-Jun;36 Suppl 112(3):190-7.
- 3.
- Zippel CL, Beider S, Kramer E, Konen FF, Seeliger T, Skripuletz T, Hirsch S, Jablonka A, Witte T, Sonnenschein K, Ernst D. Premature stroke and cardiovascular risk in primary Sjögren's syndrome. Front Cardiovasc Med. 2022 Dec 14;9:1048684. DOI: 10.3389/fcvm.2022.1048684