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Der gestörte Gang zum Rheumatologen
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Published: | September 18, 2024 |
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Vorgeschichte: Eine schleichend zunehmende Gangstörung und Probleme beim Treppensteigen führten an Weihnachten 2023 zur Vorstellung in einer universitären Notaufnahme. Im Oktober 2021 erlitt der 87-jährige Patient einen Choroidea anterior-Infarkt. Bleibende Schlaganfallschäden lagen anamnestisch aber nicht vor. Seit dem Schlaganfallereignis bestand eine Therapie aus ASS, Olmesartan, Thiamin, Atorvastatin und Torasemid. Ein Diabetes mellitus Typ 2 wurde diätetisch behandelt. Klinisch imponierte nun eine Pananästhesie (Malleolus med. bds), fehlenden ASR bds., reduzierte Hüftbeugung rechts (4+/5) und positiver Romberg-Test. Eine kranielle CT-Angiographie zeigte keine akute Pathologie. Folgende Laborparameter waren erhöht: Transaminasen (GOT 282 U/l, GPT 279 U/l), LDH 821 U/l, Creatinkinase 8704 U/l. Die Abdomensonographie blieb ohne wegweisenden Befund. Mit dem klinisch stabilen Patienten wurde eine weitere ambulante Abklärung der „A.e. multifaktoriellen Gangstörung und V.a. Polyneuropathie, erhöhten Transaminasen, LDH-Erhöhung und Hyper-CKÄmie unklarer Ätiologie“ besprochen. Die rheumatologische Vorstellung zur weiteren Abklärung erfolgte 6 Wochen später.
Leitsymptom bei Krankheitsmanifestation: Fortbestehende Pananästhesie (Malleolus med. bds), fehlende ASR bds., reduzierte Hüftbeugung rechts und links (4+/5). Kein Druckschmerz der Oberschenkelmuskulatur.
Diagnostik: Labor: Creatinkinase 11.312 U/l, CK-MB 506 U/l, GOT 365 U/l, GPT 379 U/l, LDH 1.042 U/l, Kreatinin 1,43 mg/dl. BSG 32 mm/1h.
Myositis-Blot: negativ. HMG-CoA-Reduktase Antikörper mit 148 U/l erhöht (neg. <20).
MRT-Oberschenkel links: Ausgedehnte diffuse langstreckige großflächige ödematöse Imbibierung der OS-Muskulatur bds. Vom Becken ausgehend bis in die Höhe des distalen Oberschenkeldrittels unter Betonung der Adduktoren sowie geringer auch der dorsalen Muskelgruppen.
Neurologisch (extern): unauffälliges EMG-Muster.
Therapie: Unverzügliches Absetzen der seit 2,5 Jahren bestehenden Atorvastatin-Therapie. Glucokortikoid-Therapie (initial 0,5 mg/Kg KG Prednisolon, reduzierte Dosis bei DM Typ 2). Je nach weiterem Verlauf ist eine immunmodulierende/steroidsparende Therapie (Methotrexat, Azathioprin oder Mycofenolatmofetil; ggf. Immunglobulin-Therapie, Rituximab) geplant.
Weiterer Verlauf: Schnell rückläufige Creatinkinase, Transaminasen und LDH. Normalisierung der Nierenretentionsparameter. Leicht regrediente Gangstörung (bei begleitender Polyneuropathie). Wir stellten die Diagnose einer Statin-induzierten immunvermittelten (nekrotisierende) Myopathie (IMNM), charakterisiert durch HMG-CoA Reduktase Antikörper. Auf eine Muskelbiopsie wurde verzichtet. Eine MRT-Verlaufskontrolle ist geplant.
Fazit: Statin-assoziierte Muskelsyndrome (SAMS) mit typischen Myalgien und Muskelschwäche sollten zum zügigen Absetzen einer Statin-Therapie führen. An die sehr seltene Statin-induzierte IMNM, in diesem Fall mit schleichend entwickelnder Klinik ohne Myalgien, ist bei erhöhter CK und Statintherapie immer zu denken, vor allem im Hinblick auf ein Absetzen der Statintherapie und zügige Therapieeinleitung.