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Die haarigen Nieren beenden den Tanz um die Knie
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Published: | September 18, 2024 |
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Vorgeschichte: Ein 60-jähriger Patient wurde bei uns im Jahr 2016 wegen rezidivierender Gonarthritiden einhergehend mit Fieber vorstellig. Seit 10 Jahren erfolgten verschiedene Behandlungen der Knie. Deren Notwendigkeit wurde ursächlich der Karriere als Marathonläufer zugeschrieben.
Leitsymptom bei Krankheitsmanifestation: Führend waren die erhöhten Temperaturen bis 38,2°C und die Gonarthritiden. Es erfolgten Punktionen ohne Erregernachweis, bei deutlich erhöhten Entzündungszeichen Antibiosen ohne Effekt und schließlich höher dosierte Cortisongaben mit gutem Ansprechen. Immunologisch auffällig war lediglich ein ANA-Titer von 1:640 mit feingranulärer Kernfluoreszenz. In der Umfelddiagnostik zeigte sich in der MRT interenterisch ein Gewebeplus, histologisch befundet als chronisch granulierende Entzündung mit Plasmazellinfiltraten ohne Malignitätsnachweis. Therapeutisch blieb MTX und Azathioprin ohne Effekt.
Diagnostik: Eine Vorstellung in der Charité führte zur Empfehlung von Cyclophosphamid unter dem Verdacht einer Kollagenose. Nach der 2. Gabe entwickelte der Patient einen Diabetes insipidus, welcher therapieassoziiert gedeutet wurde. Schließlich erfolgte die Einstellung auf Rituximab mit mäßigen Erfolgen. Anhaltend zeigten sich die Entzündungszeichen erhöht und die Gonarthritiden hochaktiv. In neuerlichen MRTs wurden atypische Osteomyelitiden vermutet und schließlich unter CRMO Verdacht Zoledronsäure therapeutisch ergänzt. Leidlich blieb die Situation stabil, jedoch kam es zu Hüftkopfnekrosen mit TEP-Ersatz und beidseitigen Knie-TEPs.
Symptomatisch auffällig wurde 2022 eine neue diastolische Kardiomyopathie. In der Diagnostik wurde eine koronare 2-Gefäßerkrankung bei dazu passender ausgeprägter Aortensklerose gesehen. Rasch progredient manifestierte sich ein kombiniertes OP-pflichtiges Aortenklappenvitium. Intraoperativ zeigte sich ein penetrierendes Aortenulcus der Aorta ascendens, so dass ergänzend in dieser OP eine Aortenprothese notwendig wurde.
Trotz aller Komplikationen erholte sich der Patient. Mehrere Monate später zeigten sich bei erneuten Bauchbeschwerden, Fieber und hohem CRP in der CT erstmalig „haarige“ Nieren. Zu diesem Zeitpunkt wurde auch die Aortensklerose als „coated aorta“ gedeutet. Somit konnten alle o.g. Symptome schließlich als Morbus Erdheim Chester mit zerebraler Beteiligung zusammengefasst werden.
Therapie: Es erfolgte die genetische Diagnostik, jedoch ohne Nachweis von Mutationen in BRAF- oder MAPK-Signalwegen. Nach einer Literaturrecherche erfolgte schließlich die Einstellung auf Tocilizumab.
Weiterer Verlauf: Erstmalig konnten nach fast 20 Jahren erwartungsgemäß unter IL-6-Blockade keine elevierten Entzündungszeichen und Fieber festgestellt werden. Unabhängig davon bleibt der weitere Verlauf insbesondere bei dem ausgeprägten kardiovaskulären Risikoprofil abzuwarten ebenso wie die Hoffnung auf weitere therapeutische Optionen.
Offenlegungserklärung: Keine Interessenskonflikte bestehend.